Verhältnis von Sprache, Denken und Wirklichkeit: Die Sapir-Whorf-Hypothese
Die Sapir-Whorf-Hypothese wurde in den 1950er Jahren von Benjamin Lee Whorf mit Bezug auf Edward Sapir formuliert. Sie erklärt den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken und basiert auf der Annahme, dass das Denken ein grammatisch determiniertes, handelndes Ordnen von Wirklichkeitswahrnehmungen ist.
Die Hypothese besteht aus zwei Kernthesen:
- Das linguistische Relativitätsprinzip: Dieses Prinzip besagt, dass die Wahrnehmung der Wirklichkeit von dem jeweiligen linguistischen System abhängt. Eine gleiche oder ähnliche Wahrnehmung ist nur bei gleichen oder ähnlichen linguistischen Hintergründen möglich.
Highlight: Sprecher verschiedener Sprachen ordnen die Eindrücke der Welt auf unterschiedliche Weise, geistig unterteilt und eingeordnet, in Abhängigkeit von ihrer Sprache.
- Der sprachliche Determinismus: Diese These besagt, dass die Sprache, die man spricht, das Denken, die Erkenntnismöglichkeiten und die Wahrnehmung fundamental bestimmt.
Definition: Die Sprache, mit der wir aufwachsen, begrenzt, was und wie wir denken können, oder positiver ausgedrückt, sie steuert unser Denken und ermöglicht es uns, in einer bestimmten Art und Weise zu denken.
Whorf beschreibt die Sprache als "Schema und Anleitung für die geistige Aktivität", was einen großen Einfluss auf das Denken impliziert, jedoch keine vollständige Identität.
Die Grundlagen für diese These basieren auf Beobachtungen wie:
- Die Sprache der Hopi-Indianer, die keinen Zeitbereich und keine Möglichkeit hat, über Zeit zu sprechen.
- Die These von Franz Boas, dass Eskimos viel mehr Wörter für "Schnee" haben und folglich eine differenziertere Wahrnehmung besitzen.
Example: Die Guughan Yimidhirr Aborigines nehmen durch ihre Grammatik die Wirklichkeit in absoluten Richtungen und nicht in relativen wahr (links, rechts, oben, unten).
Die Hypothese wird sowohl unterstützt als auch kritisiert. Befürworter argumentieren mit Beispielen wie den unterschiedlichen Wahrnehmungen von Schnee bei Eskimos oder dem zirkulären Zeitverständnis der Hopi-Indianer. Kritiker hingegen hinterfragen, ob eine höhere Anzahl von Zeichen tatsächlich eine höhere gedankliche Komplexität bedeutet und argumentieren, dass der kulturelle kommunikative Bedarf die Sprache prägt und nicht umgekehrt.