Der Aufbau und die dramaturgische Form in "Der Besuch der alten Dame"
Die dramaturgische Struktur von Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" folgt einem komplexen Aufbaumuster, das Elemente des analytischen Dramas mit denen des Zieldramas verbindet. Das Werk präsentiert sich in der klassischen Dreiteilung der Akte, wobei die Handlung durch die Ankunft und Abreise Claire Zachanassians eingerahmt wird. Diese geschlossene Form unterstreicht die dramatische Einheit und verstärkt die Wirkung der tragischen Entwicklung.
Definition: Das analytische Drama enthüllt schrittweise ein bereits geschehenes Ereignis, während das Zieldrama einen Konflikt zu Beginn präsentiert und auf ein bestimmtes Ziel hinarbeitet.
Die Antike Theater Merkmale spiegeln sich in der Wahrung der drei Einheiten wider: Die Einheit des Ortes wird durch den wiederkehrenden Schauplatz des Bahnhofs in Güllen gewahrt, die Einheit der Zeit durch die chronologische Darstellung in der Gegenwart, und die Einheit der Handlung durch das zentrale Motiv der Sühnung eines vergangenen Verbrechens. Diese klassischen Strukturelemente verleihen dem Stück seine besondere Dynamik.
Die dramaturgische Besonderheit liegt in der geschickten Verschmelzung verschiedener Dramenformen. Als analytisches Drama offenbart es die Vorgeschichte der Protagonisten schrittweise, während es gleichzeitig als Zieldrama auf die finale Entscheidung der Güllener Bevölkerung zusteuert. Diese Doppelstruktur ermöglicht es Dürrenmatt, sowohl die psychologische Tiefe der Charaktere als auch die Spannung der gegenwärtigen Handlung zu entwickeln.