Corpus Delicti Charakterisierung mit Seitenzahl
In Juli Zeh's dystopischem Roman "Corpus Delicti" spielen die Charaktere eine zentrale Rolle bei der Darstellung der komplexen Gesellschaft des Gesundheitsstaates. Jede Figur repräsentiert unterschiedliche Aspekte und Haltungen gegenüber dem herrschenden System, der sogenannten "Methode". Diese detaillierte Charakterisierung bietet einen tiefen Einblick in die Motivationen und Entwicklungen der Hauptfiguren.
Heinrich Kramer wird als eine beeindruckende und einflussreiche Persönlichkeit dargestellt. Seine äußere Erscheinung wird als attraktiv beschrieben, mit dunklen Haaren und schwarzen Augen (S. 15). Er wird als "ein sehr schöner Mann" (S. 21) charakterisiert, der stets gut gekleidet und selbstsicher auftritt (S. 31). Kramers Bedeutung für die Gesellschaft wird durch seine häufigen Auftritte in Talkshows unterstrichen, was seine Berühmtheit und seinen Einfluss verdeutlicht. Seine tiefe Überzeugung von der Richtigkeit der Methode (S. 254) macht ihn zu einem zentralen Verfechter des Systems.
Highlight: Heinrich Kramers Charakter verkörpert die Attraktivität und scheinbare Unfehlbarkeit des Gesundheitsstaates, was ihn zu einem mächtigen Gegenspieler für Kritiker des Systems macht.
Moritz Holl, Mias verstorbener Bruder, wird als eine komplexe und tragische Figur dargestellt. Mit 27 Jahren beging er Selbstmord im Gefängnis (S. 33). Moritz wird als Träumer und Romantiker beschrieben, der als Freidenker gilt (S. 27, 33). Seine Ablehnung der Methode und seine sexuelle Freizügigkeit (S. 61) stehen im starken Kontrast zu den Normen der Gesellschaft. Er hielt sich nicht an die Regeln der Methode und rauchte sogar (S. 63). Trotz seiner Leukämie-Erkrankung, von der er geheilt wurde (S. 95), blieb er ein Kritiker des Systems.
Quote: "Moritz war ein Träumer, romantisch veranlagt und ein Freidenker." (S. 27)
Mia Holl, die Protagonistin des Romans, wird als 30-jährige erfolgreiche Biologin mit einem schmalen, drahtigen Körper beschrieben (S. 17-19). Ihr Charakter zeichnet sich anfangs durch eine starke Rationalität und die Verdrängung von Gefühlen aus (S. 38). Eine interessante Eigenheit ist ihre Gewohnheit, Selbstgespräche mit einer idealen Geliebten zu führen. Mias Entwicklung im Laufe der Geschichte ist bemerkenswert: Von einer anfänglichen Überzeugung von der Methode (S. 160) wandelt sie sich zu einer entschiedenen Gegnerin (S. 186).
Example: Mias Transformation von einer Unterstützerin zu einer Kritikerin der Methode zeigt sich in ihrem zunehmenden Hinterfragen der gesellschaftlichen Normen und ihrer wachsenden Bereitschaft, gegen das System aufzubegehren.
Die Corpus Delicti Figurenkonstellation wird durch weitere interessante Charaktere ergänzt:
- Würmer, ein junger Journalist und Methodenfreund, der als Kronzeuge gegen Mia aussagt (S. 217).
- Sophie, eine junge, blonde Richterin (S. 9, 12), die Sympathie für Mia zeigt (S. 51).
- Hutschneider, ein sechzigjähriger Richter, der wenig Interesse an Mias Fall zeigt (S. 214).
- Lutz Rosentreter, Mias Verteidiger, wird als etwas unbeholfen (S. 71), aber aufrichtig und bescheiden beschrieben (S. 99). Er plant einen "Feldzug" gegen die Methode aus persönlichen Gründen (S. 110).
- Lizzie, Frau Poll und Driss, Mias Nachbarn, repräsentieren verschiedene Haltungen innerhalb der Gesellschaft. Während Lizzie und Frau Poll die Methode unterstützen und großen Wert auf Hygiene legen (S. 20), zeigt Driss, eine junge Frau, Sympathie für Mia und verteidigt sie sogar (S. 256).
Vocabulary: "Feldzug" im Kontext von Rosentreter's Plan gegen die Methode bedeutet hier eine systematische und entschlossene Kampagne oder Aktion, um das System zu bekämpfen oder zu verändern.
Diese detaillierte Corpus Delicti Charakterisierung ermöglicht es dem Leser, die komplexen Beziehungen und Konflikte innerhalb der Gesellschaft des Romans nachzuvollziehen. Die Vielfalt der Charaktere, von überzeugten Anhängern bis hin zu kritischen Stimmen, spiegelt die Spannungen und Widersprüche in diesem dystopischen Staat wider. Durch die Entwicklung der Figuren, insbesondere Mia Holls, wird die zentrale Thematik des Romans – der Konflikt zwischen individueller Freiheit und staatlicher Kontrolle – auf persönlicher Ebene erfahrbar gemacht.