Franz Kafkas Parabel "Vor dem Gesetz" und sein Roman "Der Prozess" sind zwei der bedeutendsten Werke der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts.
Die Parabel "Vor dem Gesetz" erzählt von einem Mann vom Lande, der Einlass zum Gesetz begehrt, aber von einem Türhüter daran gehindert wird. Der Türhüter verweist auf weitere, mächtigere Türhüter hinter weiteren Toren und warnt vor deren Anblick. Der Mann verbringt sein ganzes Leben wartend vor dem Tor, stellt Fragen und versucht durch Bestechung Einlass zu erlangen. Erst kurz vor seinem Tod erfährt er, dass dieser Eingang nur für ihn bestimmt war. Die Geschichte thematisiert die Beziehung des Individuums zur Autorität, zur Bürokratie und zum Gesetz selbst.
"Der Prozess" handelt von Josef K., der an seinem dreißigsten Geburtstag ohne ersichtlichen Grund verhaftet wird. Im Verlauf des Romans versucht er, sich in einem undurchschaubaren Gerichtssystem zu verteidigen, ohne je zu erfahren, was ihm vorgeworfen wird. Die Psychoanalyse spielt in beiden Werken eine wichtige Rolle - sie zeigt die Verstrickung des Menschen in undurchschaubare Machtstrukturen und seine Ohnmacht gegenüber bürokratischen Systemen. Die Türhüterparabel ist dabei nicht nur eine eigenständige Geschichte, sondern auch ein zentrales Kapitel in "Der Prozess", das die Themen Macht, Autorität und die Suche nach Gerechtigkeit verdichtet. Beide Texte sind charakteristisch für Kafkas Stil: Sie verbinden Realismus mit surrealen Elementen und lassen verschiedene Interpretationsebenen zu, von der gesellschaftskritischen bis zur existenziellen Deutung.