Walter Ulbrichts Rede zur Rechtfertigung des Mauerbaus
In seiner Ansprache vom 18. August 1961 wendet Walter Ulbricht verschiedene rhetorische Strategien an, um den Bau der Berliner Mauer zu rechtfertigen und die Bevölkerung der DDR von der Notwendigkeit dieser Maßnahme zu überzeugen. Der Staatschef bedient sich dabei einer sorgfältig gewählten Sprache, die zwischen Beschwichtigung und Dramatisierung pendelt.
Ulbricht verwendet gezielt positiv besetzte Begriffe, sogenannte Fahnenwörter, um die Mauer in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. Ausdrücke wie "Frieden", "Menschlichkeit" und "Sicherung des Friedens" sollen die harte Realität der Teilung Berlins abmildern und die Maßnahme als notwendigen Schritt zum Schutz der Bevölkerung darstellen.
Vocabulary: Fahnenwörter sind positiv konnotierte Begriffe, die in der politischen Sprache verwendet werden, um die eigene Position aufzuwerten.
Im Gegensatz dazu nutzt Ulbricht negativ besetzte Stigmawörter, um Gegner und Kritiker zu diffamieren. Begriffe wie "Terrorismus", "Militaristen" und "Menschenhandel" dienen dazu, den Westen als Bedrohung darzustellen und die eigenen Handlungen zu rechtfertigen.
Example: Ulbricht bezeichnet westliche Politiker als "Konzernherren" und "Bankiers", um sie als geldgierige Kapitalisten zu brandmarken.
Eine wichtige Strategie in Ulbrichts Rede ist die Abwertung des Gegners. Er bezeichnet westliche Politiker als "Militaristen" und wirft ihnen eine "aggressive Politik" vor. Durch solche Zuschreibungen versucht er, die Verantwortung für die Teilung Berlins dem Westen zuzuschieben.
Gleichzeitig bemüht sich Ulbricht um Beschwichtigung der eigenen Bevölkerung. Er stellt die Frage, ob die Maßnahmen wirklich notwendig seien, um dann selbst zu antworten und die Unvermeidbarkeit zu betonen. Auch versucht er, die Dramatik der Situation herunterzuspielen, indem er beispielsweise behauptet, es sei "weit weniger los als auf einer Rock-and-Roll-Veranstaltung".
Quote: "Wir haben für die Sicherung des Friedens gesorgt."
Die Aufwertung der eigenen Seite ist ein weiteres wichtiges Element in Ulbrichts Rede. Er lobt den "großartigen Kampfgeist" und die "Moral" der DDR-Bürger und beschwört ein "neues Kraftbewusstsein". Durch die Schaffung eines "Wir-Gefühls" versucht er, die Bevölkerung hinter der Entscheidung zum Mauerbau zu vereinen.
Highlight: Ulbricht nutzt gezielt die Strategie der Dramatisierung, um die Notwendigkeit der Mauer zu unterstreichen. Er bezeichnet Westberlin als "Brandherd" und zieht Parallelen zur aggressiven Politik Hitlers und Goebbels', die zum Zweiten Weltkrieg führte.
Die Analyse von Walter Ulbrichts Rede vom 18. August 1961 zeigt, wie geschickt der DDR-Staatschef Sprache einsetzt, um den Bau der Berliner Mauer zu rechtfertigen. Durch die Kombination von beschwichtigenden und dramatisierenden Elementen, sowie die gezielte Verwendung von Fahn- und Stigmawörtern, versucht er, die Bevölkerung von der Notwendigkeit dieser einschneidenden Maßnahme zu überzeugen.
Definition: Die Berliner Mauer war eine befestigte Grenzanlage, die von 1961 bis 1989 West-Berlin von der DDR und Ost-Berlin trennte. Sie wurde am 13. August 1961 auf Veranlassung der DDR-Führung errichtet und fiel am 9. November 1989 im Zuge der politischen Wende.