Bismarcks Außenpolitik nach 1871: Ausgangslage und Strategie
Nach der Reichsgründung 1871 stand Deutschland als neue Großmacht im Zentrum Europas vor zahlreichen außenpolitischen Herausforderungen. Die angespannte Lage in Europa war geprägt von Konflikten zwischen Russland und Österreich-Ungarn um den Balkan, zwischen Italien und Österreich-Ungarn wegen italienischer Gebietsansprüche und natürlich zwischen Deutschland und dem revanchedurstigen Frankreich.
Bismarcks Außenpolitik verfolgte klare Ziele: Deutschland sollte keine weiteren Gebiete erwerben (der sogenannte "Saturiertheitszustand"), Frankreich isoliert und antideutsche Bündnisse verhindert werden. Das "Kissinger Diktat" von 1877 verdeutlichte diese defensive Grundhaltung.
Bismarcks Bündnissystem begann mit dem Dreikaiserabkommen 1873−1878 zwischen Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn. Dieses Konsultativabkommen sah Neutralität bei Angriffen vor, bot jedoch keinen militärischen Beistand. Die Balkankrise belastete das Abkommen schwer, weshalb Bismarck 1878 den Berliner Kongress einberief, um zu vermitteln.
Merke: Bismarcks Bündnissystem war wie ein kompliziertes Schachspiel - jeder Zug war strategisch durchdacht, um Deutschland abzusichern und gleichzeitig das europäische Gleichgewicht zu wahren.
Nach dem Scheitern des Dreikaiserabkommens schloss Deutschland 1879 den Zweibund mit Österreich-Ungarn, der gegenseitigen Beistand bei russischen Angriffen vorsah. 1882 kam Italien hinzu, womit der Dreibund entstand. Der geheime Rückversicherungsvertrag mit Russland 1887−1890 und das Mittelmeerabkommen 1887 zwischen Großbritannien, Italien, Österreich-Ungarn und Spanien vervollständigten Bismarcks komplexes diplomatisches Netzwerk.