Bismarcks Außenpolitik und Bündnissystem (1873-1890)
Nach der Reichsgründung 1871 stand Deutschland als neue Großmacht vor erheblichen außenpolitischen Herausforderungen. Das Deutsche Reich befand sich in einer prekären Lage in der Mitte Europas, umgeben von potentiellen Konflikten: Russland und Österreich-Ungarn stritten um Einfluss auf dem Balkan, Italien und Österreich-Ungarn konkurrierten um italienischsprachige Gebiete, und Frankreich trauerte dem verlorenen Elsass-Lothringen nach.
Bismarcks Außenpolitik war von seinem "Saturiertheitszustand" geprägt - Deutschland strebte keinen weiteren Ländererwerb an. Stattdessen verfolgte er ein defensives Bündnissystem mit dem Hauptziel, Frankreich zu isolieren und antideutsche Allianzen zu verhindern. Das erste wichtige Abkommen war das Dreikaiserabkommen von 1873 zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland, das gegenseitige Neutralität bei Angriffen zusicherte.
Als die Balkankrise die Beziehungen zwischen Russland und Österreich-Ungarn belastete, agierte Bismarck 1878 auf dem Berliner Kongress als "ehrlicher Makler". Trotz seiner Vermittlungsbemühungen verschlechterten sich die Beziehungen, was zur Auflösung des Dreikaiserabkommens führte. Bismarck reagierte mit dem Zweibund von 1879 mit Österreich-Ungarn, der militärischen Beistand bei einem russischen Angriff vorsah.
💡 Bismarcks Bündnissystem war bewusst komplex und teilweise widersprüchlich konstruiert - mit dem Ziel, dass der Bündnisfall niemals eintreten würde!
Weitere Elemente in Bismarcks Bündnissystem umfassten den Dreibund von 1882 (Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien), den Rückversicherungsvertrag mit Russland (1887-1890) und das Mittelmeerabkommen von 1887 mit Großbritannien, Italien, Österreich-Ungarn und Spanien. Diese Verträge bildeten ein kompliziertes diplomatisches Netzwerk, das trotz innerer Widersprüche Deutschlands Position in Europa stärkte.