Die Posendebatte in der Frankfurter Paulskirche
Die Posendebatte in der Frankfurter Nationalversammlung 1848 war ein entscheidender Moment für die deutsch-polnischen Beziehungen und die Entwicklung des deutschen Nationalstaats. Im Zentrum stand die Frage, ob die preußische Provinz Posen, die eine große polnische Bevölkerung hatte, zum neuen deutschen Staat gehören sollte.
Die Debatte offenbarte einen tiefen Konflikt zwischen dem aufkommenden deutschen Nationalgefühl und der früheren Solidarität mit der polnischen Unabhängigkeitsbewegung. Noch 1846 hatten viele Deutsche den polnischen Aufstand unterstützt, doch nun stand das nationale Interesse im Vordergrund.
Highlight: Die Entscheidung der Nationalversammlung, Posen zu Deutschland zu zählen, markierte einen Wendepunkt in den deutsch-polnischen Beziehungen.
In einer Rede vor der Nationalversammlung wurden die Argumente für die Eingliederung Posens dargelegt. Der Redner argumentierte gegen eine Freigabe Polens und forderte stattdessen einen "gesunden Volksegoismus". Er berief sich auf das "Recht der Stärke und Eroberung" und behauptete, dass die Eroberung nicht rückgängig gemacht werden könne.
Quote: "Wir müssen erwachen ... zu einem gesunden Volksegoismus."
Diese Haltung stand im krassen Gegensatz zur früheren Polenbegeisterung im Vormärz. Die radikaldemokratische Partei protestierte gegen diese Entscheidung und sah darin einen Verrat an den Idealen der Revolution von 1848.
Vocabulary: Vormärz - Bezeichnet die Zeit vor der Märzrevolution 1848, in der liberale und nationale Ideen an Bedeutung gewannen.
Die Kritiker argumentierten, dass die erneute Teilung Polens die alten Teilungen legitimiere und das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen nachhaltig verschlechtern würde. Sie sahen in der Haltung der Nationalversammlung einen "Völkeregoismus" und warnten, dass das Ende Polens auch das Ende Deutschlands bedeuten könnte.
Definition: Nationalversammlung 1848 - Das erste frei gewählte gesamtdeutsche Parlament, das in der Frankfurter Paulskirche tagte und eine Verfassung für einen deutschen Nationalstaat ausarbeiten sollte.
Die Posendebatte zeigt exemplarisch die Probleme und Widersprüche der Nationalversammlung 1848. Einerseits strebte man nach nationaler Einheit und Stärke, andererseits verriet man damit die liberalen und revolutionären Ideale, die viele Abgeordnete ursprünglich vertreten hatten. Die Entscheidung für die Eingliederung Posens hatte langfristige Folgen für die deutsch-polnischen Beziehungen und trug zur Verschärfung nationaler Konflikte in Mitteleuropa bei.