Vor dem Meer, dem Festland und dem Himmel besaß die Natur auf dem ganzen Erdkreis nur ein einziges Aussehen, das man Chaos nannte. Es war eine rohe, ungeordnete Masse und nichts außer trägem Gewicht und unverträglichen Elementen, die kaum verbunden waren. Noch gab es kein Licht, keine neuen Mondsicheln und die Erde schwebte noch nicht in umgebender Luft. Zwar gab es die Erde, das Meer und die Luft, aber die Erde war nicht fest, das Meer nicht befahrbar und die Luft war ohne Licht. In ein und demselben Körper kämpfte Kaltes mit Warmen, Feuchtes mit Trockenem, Weiches mit Hartem und Schwereloses mit Gewichtigem.
Metrik
Ovid hat die Metamorphosen im hexametrischen Versmaß geschrieben, das in der literarischen Gattung des Epos verwendet wird.
Werk und Analyse
Wesentliche Merkmale des Chaos
Das Chaos wird als verworfene, rohe Masse dargestellt, die eine träges Gewicht und unverträgliche Elemente beinhaltet. Die Elemente sind noch unverbunden, was daran belegt wird, dass es noch kein Licht, keine neuen Mondsicheln und auch noch keine Länder am Rand der Küsten gab. Obwohl die Elemente bereits vorhanden sind, sind sie aufgrund ihrer Unverbundenheit noch nicht nutzbar. Es herrscht stetige Veränderung, da keine Form bestehen bleibt.
Stilistische Gestaltung
Im Abschnitt über das Chaos werden viele negative Vorsilben von Komposita verwendet, um den Zustand der Trennung und Unverbundenheit der Elemente hervorzuheben. Des Weiteren werden die Götter metonymisch für Sonne, Mond und Meer genannt, um ihr späteres göttliches Wirken zu verbildlichen. Es finden sich zahlreiche Hyperbata, um die Unverbundenheit der Elemente und den Zustand der Trennung abzubilden. Zusammen mit dem einleitenden Polyptoton sowie der Anapher der Verneinungen wird der aufzählende Charakter dieses Satzes unterstützt. Des Weiteren werden durch Antithesen, Parallelismus der Versenden und Verschleifungen in Versen die Instabilität und der Kampf der Elemente verdeutlicht.
Insgesamt zeigt Ovid in diesem Abschnitt eine detaillierte und bildhafte Darstellung des Chaos und seiner Merkmale.
Die Metamorphosen von Ovid sind ein herausragendes Beispiel für die Verwendung des hexametrischen Versmaßes in der literarischen Gattung des Epos. Die detaillierte Darstellung des Chaos und seiner Merkmale zeigt Ovids Meisterschaft in der sprachlichen Gestaltung und in der Vermittlung komplexer Inhalte. Ovid's Metamorphosen sind somit nicht nur ein literarisches Meisterwerk, sondern auch ein bedeutendes Werk der antiken Literatur.