Kritik am Libet-Experiment und alternative Perspektiven
Das Libet-Experiment, das die Existenz der Willensfreiheit in Frage stellte, wurde trotz seiner Bedeutung für die Philosophie und Neurowissenschaft nicht unkritisch aufgenommen. Hier sind einige der wichtigsten Kritikpunkte:
Komplexität der Entscheidung
Kritik: Die Entscheidung, eine Hand oder einen Finger zu heben, ist zu simpel und hat wenig mit komplexen Lebensentscheidungen zu tun.
Diese Kritik betont, dass die im Experiment untersuchte Handlung nicht repräsentativ für die Art von Entscheidungen ist, die wir normalerweise mit Willensfreiheit in Verbindung bringen.
Trennung von Gehirn und Person
Kritik: Die Unterscheidung zwischen Gehirn und Person macht keinen Sinn, da das Gehirn ein Teil von uns ist.
Diese Kritik hinterfragt die implizite Annahme des Experiments, dass das Gehirn und die Person als getrennte Entitäten betrachtet werden können.
Experimentelles Design
Kritik: Die Entscheidung zur Teilnahme am Experiment verfälscht den Entscheidungsprozess während des Versuchs.
Dieser Punkt weist darauf hin, dass die Versuchspersonen bereits eine übergeordnete Entscheidung getroffen haben, bevor das eigentliche Experiment beginnt.
Kausalität und Zeitlichkeit
Highlight: Das zeitliche Vorhergehen des Bereitschaftspotenzials im Gehirn bedeutet nicht notwendigerweise, dass es die Ursache für unsere Entscheidung ist.
Diese Kritik stellt die Schlussfolgerung in Frage, dass die neuronale Aktivität die Ursache für die bewusste Entscheidung ist.
Indeterminismus als Alternative
Als Gegenentwurf zum Determinismus, der oft als Schlussfolgerung aus dem Libet-Experiment gezogen wurde, steht der Indeterminismus.
Definition: Der Indeterminismus besagt, dass das Geschehen nicht nur durch Kausalität bestimmt ist und nicht allein das Ursache-Wirkungs-Prinzip ein Geschehen beeinflusst.
Der Indeterminismus findet sich auch in den Naturwissenschaften wieder:
- In der Physik: beim Zerfall eines einzelnen radioaktiven Atoms
- In der Biologie: bei der Zusammensetzung der Erbinformationen bei geschlechtlicher Vermehrung
Diese Kritikpunkte und alternativen Perspektiven zeigen, dass die Debatte um Willensfreiheit in der Philosophie und Ethik weiterhin lebendig und komplex bleibt. Sie unterstreichen die Notwendigkeit, die Ergebnisse wissenschaftlicher Experimente kritisch zu hinterfragen und in einen breiteren philosophischen Kontext einzuordnen.