Die Ära Brandt: Aufbruch und Wandel (1969-1974)
Willy Brandt prägte als erster SPD-Bundeskanzler eine bedeutende Epoche der deutschen Nachkriegsgeschichte. Seine Amtszeit von 1969 bis 1974 war gekennzeichnet durch weitreichende Reformen und eine neue Ausrichtung der Außenpolitik.
Highlight: Brandt führte als erster SPD-Kanzler die sozialliberale Koalition aus SPD und FDP an.
In der Außenpolitik verfolgte Brandt die "Neue Ostpolitik", die auf Entspannung und Annäherung mit den osteuropäischen Staaten abzielte. Diese Politik ergänzte die bisherige Westintegration und führte zu bedeutenden Verträgen wie dem Moskauer und Warschauer Vertrag.
Definition: Die "Neue Ostpolitik" basierte auf dem Konzept "Wandel durch Annäherung" und erkannte die Existenz zweier deutscher Staaten an.
Innenpolitisch setzte die Regierung Brandt umfangreiche Modernisierungsreformen um. Dazu gehörten die Bildungsreform mit Einführung des BAföG, Reformen im Familien- und Eherecht sowie im Strafrecht, und eine Wahlrechtsreform.
Example: Die Wahlrechtsreform senkte das aktive Wahlalter von 21 auf 18 Jahre und das passive von 25 auf 21 Jahre.
Brandts Kanzlerschaft fiel in eine Zeit des gesellschaftlichen Wandels. Seine Politik unter dem Motto "Mehr Demokratie wagen" förderte die politische Partizipation und reagierte auf den Wertewandel in der Gesellschaft.
Quote: "Wir wollen mehr Demokratie wagen" - Willy Brandt in seiner Regierungserklärung 1969.
Wirtschaftlich endete in dieser Zeit der langjährige Nachkriegsaufschwung. Die Ölpreiskrise 1973/74 führte zu einem Konjunktureinbruch und einer Weltwirtschaftskrise.
Brandts Kanzlerschaft endete 1974 mit seinem Rücktritt aufgrund der Guillaume-Affäre. Trotz der kurzen Dauer wird seine Amtszeit oft als "Zweite Gründung der Bundesrepublik" bezeichnet, was die Bedeutung der Reformen und politischen Neuausrichtung unterstreicht.
Vocabulary: Guillaume-Affäre: Spionagefall, bei dem Brandts enger Mitarbeiter Günter Guillaume als DDR-Agent enttarnt wurde.
Die Ära Brandt markiert eine wichtige Zäsur in der deutschen Geschichte, geprägt von innenpolitischem Reformwillen und außenpolitischer Neuorientierung.