Gehorsamkeit für Kreon in "Antigone"
In Sophokles' Tragödie "Antigone" spielt das Konzept der Gehorsamkeit, insbesondere gegenüber König Kreon, eine zentrale Rolle. Kreons Verständnis von Gehorsam und seine Erwartungen an seine Untertanen sind entscheidend für den Verlauf der Handlung und die Konflikte im Stück.
Kreons Forderungen nach Gehorsam lassen sich in mehrere Aspekte gliedern:
- Bedingungslose Unterwerfung:
Kreon verlangt von seinem Volk absolute und bedingungslose Gehorsamkeit V.666. Er sieht sich als uneingeschränkter Herrscher, dessen Wort Gesetz ist.
Quote: "Wen aber diese Stadt zum Herrscher macht, dem muss man folgen, sei's in Kleinem, sei's in Großem, sei's in Rechtem, sei's in Unrechtem." V.666−667
-
Geschlechtsspezifische Unterordnung:
Besonders von Frauen erwartet Kreon zusätzliche Unterwerfung. Sie sollen sich nicht nur dem Staat, sondern auch den Männern unterordnen V.650−655. Dies spiegelt die patriarchalischen Strukturen der damaligen Gesellschaft wider.
-
Kritikresistenz:
Kreon akzeptiert keinerlei Kritik an seinen Entscheidungen oder seiner Herrschaftsweise. Jeglicher Widerspruch wird als Ungehorsam und Bedrohung seiner Autorität betrachtet.
-
Militärische Disziplin:
Kreon sieht in bedingungslosem Gehorsam die Grundlage für militärische Stärke. Er argumentiert, dass nur ein Mann, der dem Herrscher gehorcht, ein verlässlicher und starker Kämpfer sein kann V.668−672.
Highlight: Kreons Verständnis von Gehorsam ist eng mit seiner Vorstellung von Staatssicherheit und militärischer Stärke verknüpft.
-
Besondere Anforderungen an Söhne:
An Söhne, insbesondere seinen eigenen Sohn Haimon, stellt Kreon besonders hohe Ansprüche. Er erwartet von ihnen nicht nur Gehorsam gegenüber dem Staat, sondern auch absolute Loyalität gegenüber dem Vater als Familienoberhaupt.
-
Gehorsam als Zeichen von Charakterstärke:
Kreon betrachtet Gehorsam nicht nur als Pflicht, sondern auch als Zeichen von moralischer Integrität und Charakterstärke. Wer seinen Anordnungen folgt, gilt in seinen Augen als gerechter und ehrenwerter Mensch.
-
Ungehorsam als Verrat:
Jede Form von Ungehorsam wird von Kreon als Verrat am Staat und an seiner Person interpretiert. Dies zeigt sich besonders in seiner harten Haltung gegenüber Antigone und ihrer Entscheidung, ihren Bruder Polyneikes zu bestatten.
Kreons rigide Vorstellung von Gehorsam und seine Unfähigkeit, andere Perspektiven zu akzeptieren, tragen maßgeblich zur tragischen Entwicklung der Handlung bei. Seine starre Haltung führt zu Konflikten mit Antigone, seinem Sohn Haimon und letztlich zur Katastrophe.
Analyse: Kreons Beharren auf absolutem Gehorsam in "Antigone" dient Sophokles als Mittel, um die Gefahren autoritärer Herrschaft und die Notwendigkeit von Mäßigung und Weisheit in der Staatsführung aufzuzeigen.
Die Thematik der Gehorsamkeit in "Antigone" wirft zeitlose Fragen auf: Wo liegen die Grenzen des Gehorsams gegenüber der Staatsgewalt? Wann ist ziviler Ungehorsam gerechtfertigt? Diese Fragen machen das Stück auch für heutige Leser relevant und bieten Anlass zur Reflexion über das Verhältnis zwischen Individuum und Staat.