Mias wachsende Auflehnung gegen das System
Nach Moritz' Tod verändert sich Mia grundlegend. Sie vernachlässigt ihre Pflichten nicht nur aus Trauer, sondern als bewussten Akt des Widerstands. Richterin Sophie erkennt, dass Mia "organisch völlig gesund sei, ihre Seele aber leide" (S. 54) – ein Zustand, den das System nicht einordnen kann.
Mias Auflehnung wird zunehmend direkter. Sie bezeichnet Kramer als "Mörder ihres Bruders" (S. 30) und beginnt, bewusst gegen die Regeln der Methode zu verstoßen. Das Rauchen einer Zigarette, die sie an ihren Bruder erinnert (S. 65), wird zum symbolischen Akt der Selbstbestimmung. Sie setzt ihren eigenen Willen durch und widersetzt sich dem System.
Auch ihr soziales Umfeld nimmt die Veränderung wahr. Die Nachbarinnen im Wächterhaus drohen mit Rauswurf, da sie Mia für eine "Methodengegnerin" halten (S. 78). Im Gespräch mit Rosentreter zeigt sie offen ihre kritische Meinung zur Immunpartner-Vermittlung und bezeichnet sich selbst als "Rationalistin" (S. 114).
Diese Entwicklung entspricht Kants Vorstellung vom Aufklärungsprozess: Mia beginnt, ihren Verstand selbständig zu nutzen und die Autorität des Systems zu hinterfragen. Ihre wachsende Mündigkeit manifestiert sich in konkreten Handlungen und in der Bereitschaft, ihre abweichende Meinung offen zu äußern – wichtige Textstellen in Corpus Delicti für die Analyse ihrer Charakterentwicklung.