Nathanael: Der tragische Protagonist
Nathanael, der Hauptcharakter in E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann", verkörpert den Archetyp des romantischen Helden, gefangen zwischen Realität und Fantasie. Seine Charakterisierung offenbart einen jungen Mann, der tief in seiner eigenen Vorstellungswelt verstrickt ist.
Definition: Der Name Nathanael bedeutet "Geschenk Gottes" und spielt auf den Genie-Kult der Romantik an.
Nathanael studiert Physik in der Stadt G., doch seine wahre Leidenschaft gilt der Poesie. Seine Kindheit wurde durch ein traumatisches Erlebnis geprägt: Er glaubte, den mysteriösen Sandmann als den Advokaten Coppelius zu entlarven, der ihm angeblich die Augen stehlen wollte. Dieses Ereignis, gefolgt vom Tod seines Vaters, hinterlässt tiefe psychologische Narben.
Quote: "Einmal hat Nathanael sich im Büro seines Vaters versteckt und sieht, dass der Sandmann der Advokat Coppelius ist. Dieser entdeckt ihn und jagt ihm große Angst ein, indem er ihm Hände und Füße ab- und wieder anschraubt und sagt, dass er ihm die Augen stehlen will."
Als erwachsener Student projiziert Nathanael seine Ängste auf den Wetterglashändler Coppola, den er für Coppelius hält. Diese Wahnvorstellung treibt ihn dazu, den Tod seines Vaters rächen zu wollen.
Highlight: Nathanaels Unfähigkeit, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden, ist ein zentrales Element seiner Charakterisierung.
Nathanaels Weltanschauung ist von der Überzeugung geprägt, dass es neben der sichtbaren Realität eine zweite, verborgene Wirklichkeit gibt. Diese Sichtweise führt zu seiner Isolation, da sein Umfeld seine Ansichten nicht teilt. Besonders deutlich wird dies in seiner Beziehung zu Clara, die seine mystischen Ideen nicht nachvollziehen kann.
Example: Nathanaels Versuch, Clara die Mystik näherzubringen, scheitert an ihrer rationalen Natur, was er als Gefühlskälte missversteht.
Die Automatenpuppe Olimpia wird für Nathanael zum Idealbild einer verständnisvollen Partnerin. In seiner narzisstischen Projektion erkennt er nicht, dass Olimpia nur eine leblose Puppe ist, die seine eigenen Gedanken und Gefühle widerspiegelt.
Nathanaels Gefühlsleben ist von Extremen geprägt. Er neigt dazu, Menschen und Situationen in Schwarz-Weiß-Kategorien einzuordnen, was seine Beziehungen belastet und ihn weiter in die Isolation treibt.
Vocabulary: Narzissmus - übersteigertes Selbstwertgefühl, das sich in Nathanaels Beziehung zu Olimpia zeigt.
Die tragische Charakterisierung Nathanaels gipfelt in seinem Selbstmord, der die fatalen Konsequenzen einer extremen romantischen Weltsicht aufzeigt. Hoffmann nutzt Nathanaels Schicksal, um die Gefahren einer Realitätsflucht und die Notwendigkeit eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Fantasie und Vernunft zu illustrieren.