Sapir-Whorf-Hypothese
Whorf behauptet:
- These:
- Die Sprache formt den Gedanken und ist nicht nur ein Instrument zum Ausdruck.
- Die Gedanken werden von der jeweiligen Grammatik beeinflusst.
- These:
- Der Strom von Wahrnehmungen muss von unserem Geist organisiert und geordnet werden, und zwar durch unser linguistisches System, also durch unsere Sprache.
- Das Individuum kann die Natur nicht völlig frei beschreiben, sondern nur im Rahmen der linguistischen Ordnung.
- These:
- Nur innerhalb einer Sprachgemeinschaft ist eine problemlose Verständigung möglich, die von dem linguistischen System und dem damit verbundenen Weltbild geprägt ist.
- Sprachgemeinschaften bilden oft eine größere Einheit (z.B. Indoeuropäische Sprachen).
- These:
- Die Wissenschaft in Ländern anderer Sprachgemeinschaften kommt zu ähnlichen wissenschaftlichen Ergebnissen, da sie das System aus den europäischen Sprachen übernommen haben.
- Die Welt/Wirklichkeit kann nicht objektiv, aber auch nicht individuell wahrgenommen werden, sondern ist geprägt bzw. determiniert durch die Sprache der Gemeinschaft und die dort geltenden Normen.
Problem der Sapir-Whorf-These:
Die These enthält keine Belege und hat eine theoretische Argumentation.
Wiedersehen mit Whorf - Sprache und Denken (Dieter E. Zimmer)
Es gibt gewisse Unklarheiten in Whorfs Formulierung, die Zimmer in zwei Versionen zusammenfasst:
Die schwache Version
Die Sprache beeinflusst und erleichtert das Denken.
Verschiedene Sprachen beeinflussen das Denken auf verschiedene Weise.
Die Verschiedenheit der Sprache trägt zu der Verschiedenheit der Denkstile bei.
Dies wird als das linguistische Relativitätsprinzip bezeichnet.
Die starke Version
Alles Denken ist von der Sprache abhängig und wird von der Sprache determiniert.
Jeder ist denkerisch von den Konventionen seiner Sprache abhängig, was als Sprachdeterminismus bezeichnet wird.
Zimmer deutet den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken wie folgt:
Die Freiheit, über die Grenzen der Sprache zu denken, um diese Gedanken kommunizierbar zu machen, wird auf das Sprachrepertoire und die Grammatik zurückgegriffen, was in manchen Fällen eine Sprachbarriere darstellen kann.
Verschiedene Sprachen weisen oft Gemeinsamkeiten in ihrer Struktur auf, die eine grobe Verständigung ermöglichen.
Sprache ist vom Denken abhängig, da die Gedanken zuerst kommen und dann in Worte gefasst werden. Ein Beleg dafür ist, dass Kinder vor dem Spracherwerb rein kognitive Fähigkeiten entwickeln.
Wie die Sprache das Denken formt (Lera Boroditsky)
Boroditsky untersuchte unterschiedliche kognitive Fähigkeiten in verschiedenen Kulturen und stellte fest, dass Sprachunterschiede die Kognition eines Menschen beeinflussen.
Sie argumentiert, dass Sprache und Denken universelles menschliches Gemeingut sind und dass die Sprache die grundlegenden Dimensionen menschlicher Erfahrung wie Raum und Zeit prägt. Sprachunterschiede rufen unterschiedliches Denken hervor, ähnlich wie die Denkweise unterschiedliche Sprache hervorbringt.
Eine These besagt, dass Sprache und Denken zwei vollkommen getrennte Dinge sind, wobei das eine vom anderen abhängig ist.
Sprache und Denken (David Crystal)
Das Denken ist von der Sprache abhängig, wie es die Whorf-These behauptet. Erst kommt die Sprache, dann das Denken. Boroditsky belegt diese These mit genannten Belegen.
Laut Crystal ist die Sprache die Intuition, die das Denken zwar beeinflusst, aber nicht vollständig bestimmt. Die harte Auslegung der These besagt, dass Sprache das Denken determiniert und das Denken zwingend von der Sprache beeinflusst wird, was Crystal jedoch nicht unterstützt.
Er betont, dass die früheste Konfrontation mit Sprache einen wesentlichen Einfluss auf die Art und Weise hat, wie Begriffe erlernt werden.
Es gibt auch die These, dass die Identität von Denken und Sprache besteht. Rationales Denken ohne Sprache ist unmöglich. Diese Annahme wird heute nicht mehr vertreten, da wir auch ohne Sprache zu zahlreichen Intelligenzleistungen fähig sind.
Sprache und Denken sind voneinander abhängig, was jedoch nicht bedeutet, dass sie identisch sind. Bilder und Modelle sind hilfreich für die Problemlösung und zeigen gelegentlich bessere Wirkung als rein verbale Problemdarstellungen. Sprache ist ein regulärer Teil des Denkprozesses, wobei das Denken jedoch eine notwendige Voraussetzung für das Sprachverständnis ist. Beide sind wesentlich: Die Sprache ist die Wölbung des Tunnels, während das Denken der Tunnel selbst ist.