Szenenanalyse: Emilia und Claudia (2. Aufzug, 6. Auftritt)
In dieser wichtigen Szene stürmt Emilia aufgelöst in das Haus der Galottis, nachdem sie in der Kirche auf den Prinzen Hettore Gonzaga getroffen ist. Sie sucht verzweifelt Rat bei ihrer Mutter Claudia, da die Begegnung sie stark beunruhigt hat. Diese Szene ist Emilias erster Auftritt im Drama und offenbart viel über ihren Charakter.
Emilia fühlt sich schuldig und spricht sogar von Sünde: "Sündigen wollen auch sündigen" - obwohl sie eigentlich Opfer der Annäherungsversuche des Prinzen wurde. Ihre Charakterisierung zeigt sie als tugendhaft, aber auch als unmündig und unsicher. Sie fügt sich den Ratschlägen ihrer Mutter und zeigt damit die typische Abhängigkeit einer bürgerlichen Tochter.
Claudia Galotti reagiert zwiespältig auf Emilias Bericht. Einerseits versucht sie, ihre Tochter zu beruhigen, andererseits scheint sie sogar geschmeichelt, dass der Prinz Interesse an ihrer Tochter zeigt ("ein so wichtiger Mitbewerber"). Sie rät Emilia, die Begegnung sowohl vor ihrem Vater Odoardo als auch vor ihrem Verlobten Graf Appiani zu verschweigen.
💡 Die Stilmittel in dieser Szene unterstreichen Emilias emotionale Verfassung: Ihre hypotaktische Sprache mit Parenthesen, Pausen und Exklamationen verdeutlicht ihre Verwirrung und Angst. Die Metapher des "Gifts" zeigt, wie gefährlich die Wahrheit für ihre Hochzeit sein könnte.
Die gleichmäßig verteilten Redeanteile zwischen Mutter und Tochter sowie die nonverbalen Mittel (Emilia sucht Zuflucht, braucht Nähe, ist hektisch) verstärken die Dramatik der Szene. Die Verdinglichung des Prinzen durch Emilia zeigt ihren Versuch, das Geschehene zu verarbeiten, indem sie den Prinzen nicht beim Namen nennt.