Georg Büchners "Woyzeck" ist ein wegweisendes Werk der deutschen Literatur, das die Grenzen zwischen offenem und geschlossenem Drama neu definiert.
Das Stück zeigt deutliche Merkmale eines offenen Dramas: Die lose Szenenfolge, die fragmentarische Struktur und das offene Ende brechen mit den klassischen Einheiten des Theaters. Anders als beim geschlossenen Drama gibt es keinen pyramidalen Aufbau mit klarer Exposition, Höhepunkt und Lösung. Die Figurenkonstellation ist komplex und vielschichtig - im
Zentrum steht der einfache Soldat Franz Woyzeck, der unter der sozialen Unterdrückung durch seine Vorgesetzten leidet. Seine Beziehung zu Marie ist von Liebe, aber auch von Eifersucht und Misstrauen geprägt. Der Hauptmann und der Doktor repräsentieren die gesellschaftliche Elite, die Woyzeck ausnutzt und demütigt.
Die zentrale Schuldfrage in Woyzeck ist vielschichtig und lässt sich nicht eindeutig beantworten. Einerseits wird Woyzeck zum Täter, als er seine untreue Geliebte Marie ersticht. Andererseits ist er auch Opfer eines unmenschlichen Systems, das ihn in den Wahnsinn treibt. Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in der Charakterzeichnung wider: Marie schwankt zwischen treuer Mutter und untreuer Geliebter, während Nebenfiguren wie Margreth die gesellschaftliche Moral repräsentieren. Die Charakterisierung der Figuren erfolgt nicht durch ausführliche Beschreibungen ihres Aussehens, sondern durch ihre Handlungen und sozialen Beziehungen. Büchner verzichtet auf eine moralische Wertung und überlässt es dem Publikum, die Schuldfrage zu beurteilen. Diese offene Gestaltung macht das Werk auch heute noch zu einem wichtigen Gegenstand für den Unterricht und literarische Erörterungen.