Nützlichkeit und Pflicht
In der anthropozentrischen Ethik gibt es zwei wichtige Ansätze zur moralischen Bewertung von Handlungen: den Utilitarismus und Kants Pflichtethik Deontologie.
Utilitarismus
Der Utilitarismus bewertet Handlungen nach ihren Folgen und ihrer Nützlichkeit:
- Folgenprinzip: Die Moralität einer Handlung wird durch ihre Folgen bestimmt
- Nutzenprinzip: Der Maßstab für die Beurteilung der Folgen ist ihr Nutzen
- Hedonistisches Prinzip: Der Nutzen wird im Hinblick auf Lust/Glücksempfinden beurteilt
- Universalistisches Prinzip: Das Wohlergehen aller Betroffenen wird bewertet, nicht nur das des Handelnden
Schlüsselkonzept: Der Utilitarismus fordert: "Handle so, dass die Folgen deiner Handlung größtmöglich nützlich sind." Dies erfordert eine Abwägung nach dem hedonistischen Kalkül.
Probleme des Utilitarismus
Der hedonistische Lebensstil und die utilitaristische Bewertung stoßen auf mehrere Probleme:
- Naturalistischer Fehlschluss: Nur weil Menschen nach Freude Hedonie streben, bedeutet das nicht, dass sie eine moralische Verpflichtung dazu haben
- Subjektive Abwägung: Die Bewertung unterschiedlicher Folgen und Interessen ist realitätsfremd und ungenau
- Unmöglichkeit, alle Betroffenen und ihre Empfindungen einzuschätzen
- Ungerechte Verteilung: Selbstliebe und egoistische Tendenzen haben den gleichen Wert
- Missachtung von Menschenwürde, Minderheitsrechten und allgemeinen Gesetzen
Kants Kategorischer Imperativ
Kants Pflichtethik basiert auf dem guten Willen und der Pflicht:
- Orientierung an der Achtung des moralischen Gesetzes
- Vernunftbasiert, nicht von Neigungen bestimmt
- "Handle nach der Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde"
Prüfung einer Maxime erfolgt in drei Schritten:
- Formulierung einer Maxime, nach der man handeln möchte
- Verallgemeinerung der Maxime zu einem Gesetz für alle Menschen
- Prüfung, ob das Gesetz widerspruchsfrei gewollt werden kann
Wichtige Definition: "Pflicht ist die Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz" - Kant unterscheidet zwischen pflichtgemäßem Handeln und Handlung aus Pflicht, wobei nur letzteres moralischen Wert hat.
Probleme des Kategorischen Imperativs
- Rigorismus: Starres Festhalten an Moralprinzipien, oft nicht realitätsgetreu
- Jeder entscheidet subjektiv und situationsabhängig, nicht universalisierbar
- Fehlendes Entscheidungskriterium bei Pflichtenkollision
- Nur anwendbar, wenn alle Menschen vernünftig sind und nach gutem Handeln streben
Gemeinsamkeiten Utilitarismus und Kant
Eine mögliche Verbindung beider Ansätze:
- Sicherung der Moralität einer Handlung nach dem kategorischen Imperativ
- Utilitaristische Güterabwägung im Falle einer Pflichtenkollision
Fallbeispiel: Bei der Frage, ob man lügen darf, um einen Unschuldigen zu schützen, würde Kants Deontologie das Lügen grundsätzlich verbieten, während der Utilitarismus die positiven Folgen SchutzdesUnschuldigen abwägen würde. Ein kombinierter Ansatz könnte helfen, in solchen moralischen Dilemmata eine ausgewogenere Entscheidung zu treffen.