Bündnissysteme und Kriegsziele

Vor dem Ersten Weltkrieg entstanden zwei große feindliche Bündnisblöcke: der Dreibund und die Entente. Zum Dreibund gehörten das Deutsche Reich, Italien und Österreich-Ungarn, später auch Bulgarien und das Osmanische Reich.

Die Gegenseite formierte sich zunächst als Entente Cordiale zwischen Frankreich und Großbritannien (1904), die sich gezielt gegen das Deutsche Reich richtete. Mit Russlands Beitritt entstand 1907 die Triple Entente, die später durch Italien, die USA, Japan und andere Länder verstärkt wurde.

Die Kriegsziele unterschieden sich je nach Land: Das Deutsche Reich strebte nach europäischer Vorherrschaft und territorialer Ausweitung. Österreich-Ungarn wollte seine Machtstellung auf dem Balkan wahren und von innenpolitischen Problemen ablenken. Frankreich wollte Elsass-Lothringen zurückgewinnen und Deutschland schwächen, während Großbritannien seine Seeherrschaft sichern wollte.

💡 Durch das Wettrüsten und die Verfestigung der Bündnisblöcke wurde ein regionaler Konflikt zu einem Weltkrieg, der die Machtverhältnisse in Europa grundlegend verändern sollte.

Vorkriegskrisen und Ursachen des Krieges

Die Marokkokrise zeigte schon früh, wie angespannt die Lage in Europa war. In der ersten Krise 1905/06 forderte das Deutsche Reich Zugang zu Marokko, das unter französischem Einfluss stand. Bei der Konferenz von Algeciras behielt Frankreich die Kontrolle, während Deutschland sich politisch isoliert fühlte.

Die zweite Marokkokrise 1911 führte zum berühmten "Panthersprung nach Agadir", als Deutschland ein Kanonenboot nach Marokko schickte. Im folgenden Marokko-Kongo-Vertrag erhielt Frankreich die volle Kontrolle über Marokko, während Deutschland Gebiete im Kongo bekam. Diese Krisen stärkten die Entente und isolierten Deutschland weiter.

Der Balkan entwickelte sich zum gefährlichsten Krisenherd Europas. Durch den Zerfall des Osmanischen Reiches entstand ein Machtvakuum. Russland wollte Zugang zum Mittelmeer, während Österreich-Ungarn seinen Vielvölkerstaat sichern wollte. Die Rivalität zwischen Österreich-Ungarn und Serbien (unterstützt von Russland) verschärfte sich zunehmend.

🔥 Die Balkankriege waren wie ein Pulverfass: Nach dem zweiten Balkankrieg standen sich Österreich-Ungarn auf der einen sowie Russland und Serbien auf der anderen Seite feindlich gegenüber - eine explosive Situation, die nur einen Funken brauchte.

Die Julikrise und der Kriegsausbruch

Die Julikrise 1914 begann mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau in Sarajewo durch einen serbischen Attentäter. Österreich-Ungarn stellte Serbien ein Ultimatum, das Serbien zwar größtenteils annahm - Österreich-Ungarn erklärte dennoch am 28. Juli 1914 den Krieg.

Deutschland hatte Österreich-Ungarn zuvor einen "Blankoscheck" ausgestellt, also bedingungslose Unterstützung zugesichert. Russland mobilisierte zur Unterstützung Serbiens, woraufhin Deutschland Russland und Frankreich Ultimaten stellte, die erfolglos blieben.

Die Kriegserklärungen folgten in schneller Abfolge: Am 1. August erklärte Deutschland Russland den Krieg, am 3. August Frankreich, und am 4. August erklärte Großbritannien Deutschland den Krieg. Der erhoffte schnelle Sieg blieb aus, und die Schlacht an der Marne führte zum Scheitern des deutschen Schlieffen-Plans.

📌 Der geplante Blitzkrieg verwandelte sich in einen langwierigen Stellungskrieg mit Schützengräben, in dem sich die Fronten kaum bewegten und Millionen Soldaten ihr Leben verloren.

Wichtige Kriegsereignisse 1915-1918

1915 begann der uneingeschränkte U-Boot-Krieg von deutscher Seite. Bei Ypern wurde am 22. April erstmals Giftgas eingesetzt - eine neue schreckliche Waffe. Italien trat auf Seiten der Entente in den Krieg ein.

Das Jahr 1916 wurde durch die Schlacht von Verdun (21. Februar bis 18. Dezember) und die Somme-Schlacht geprägt. Beide Schlachten kosteten hunderttausende Soldaten das Leben. Bei der Somme setzten die Briten erstmals Sturmpanzer ein.

1917 war ein entscheidendes Jahr: In Russland fanden die Februar- und Oktoberrevolution statt. Die USA traten am 2. April in den Krieg ein - ein schwerer Schlag für die Mittelmächte. In mehreren Ländern kam es zu ersten Streikwellen.

1918 kam das Kriegsende: Nach dem Scheitern der letzten deutschen Offensive und dem inneren Zusammenbruch des Kaiserreichs dankte Kaiser Wilhelm II. am 9. November ab. Am 11. November 1918 unterzeichnete Deutschland den Waffenstillstand.

💡 Der Kriegseintritt der USA 1917 brachte die entscheidende Wende - frische Truppen und Ressourcen auf Seiten der Entente, während die Mittelmächte erschöpft waren.

Kriegsverlauf und strategische Wendepunkte

Der Schlieffen-Plan sollte Deutschland vor einem Zweifrontenkrieg bewahren: Frankreich sollte unter Verletzung der belgischen Neutralität schnell besiegt werden, um dann gegen Russland kämpfen zu können. Der Plan scheiterte in der Schlacht an der Marne im September 1914.

An der Westfront erstarrte der Krieg zum Stellungskrieg mit Schützengräben und minimalen Verschiebungen der Fronten. Im Osten konnten deutsche Truppen unter Hindenburg und Ludendorff anfängliche Erfolge erzielen, doch auch hier entwickelte sich 1915 ein Stellungskrieg.

Die deutsche Oberste Heeresleitung (OHL) versuchte mit U-Booten die von England verhängte Handelsblockade zu durchbrechen. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg ab Februar 1917 führte jedoch zum Kriegseintritt der USA, die zuvor die Entente bereits mit Rüstungslieferungen und Krediten unterstützt hatten.

Nach der Oktoberrevolution 1917 schied Russland aus dem Krieg aus. Im Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) musste Russland große Gebiete abtreten. Die letzte deutsche Offensive im Frühjahr 1918 blieb erfolglos, und Ende September forderte die OHL einen sofortigen Waffenstillstand.

💡 Die Pariser Friedensverträge von 1919-1922 beendeten den Krieg offiziell und gestalteten die politische Landkarte Europas grundlegend neu.

Merkmale und Folgen des Ersten Weltkriegs

Der Erste Weltkrieg brachte revolutionäre Neuerungen in der Kriegsführung: Panzer (damals "Tanks" genannt), Flugzeuge, Giftgas, U-Boote und Maschinengewehre. Er entwickelte sich zum ersten industriellen Krieg mit Materialschlachten und zum totalen Krieg mit Massenverlusten.

Charakteristisch waren der vom Nationalismus geprägte Kriegsenthusiasmus und die erfolgreiche Kriegspropaganda. Erstmals wurden auch massive Bombardierungen von Städten mit Zivilbevölkerung durchgeführt. Der Krieg erfasste durch die Kolonien die ganze Welt.

Die Folgen waren verheerend: Mehr als 17 Millionen Menschen verloren ihr Leben, viele wurden traumatisiert. Europa litt unter Armut, Hungersnot und Arbeitslosigkeit. Die Kriegskosten führten zu Inflation und wirtschaftlichem Niedergang.

Die politische Landkarte änderte sich grundlegend: Neue Staaten entstanden in Mitteleuropa (Polen, Tschechoslowakei, Jugoslawien), alte Monarchien fielen. Deutschland verlor Gebiete und musste Wiedergutmachungszahlungen leisten. Die USA stiegen zur neuen Weltmacht auf.

⚠️ Der Erste Weltkrieg legte mit seinen ungelösten Konflikten und dem harten Friedensvertrag von Versailles bereits den Grundstein für den Zweiten Weltkrieg, der nur zwei Jahrzehnte später folgen sollte.