Der 4. Kreuzzug: Von Jerusalem nach Konstantinopel
Der 4. Kreuzzug, der von 1202 bis 1204 stattfand, war ursprünglich als Expedition zur Befreiung Jerusalems und zur Unterstützung der Kreuzfahrerstaaten geplant. Er entwickelte sich jedoch zu einem komplexen Unternehmen, das letztendlich zur Plünderung von Konstantinopel und zum Niedergang des Byzantinischen Reiches führte.
Die Vorgeschichte des Kreuzzuges war geprägt von Spannungen zwischen den italienischen Seerepubliken, insbesondere Venedig, und dem Byzantinischen Reich. Diese Spannungen verschärften sich, als Byzanz 1189 seine Unterstützung für den Dritten Kreuzzug verweigerte und stattdessen ein Bündnis mit Sultan Saladin schloss. Gleichzeitig begann Ende des 12. Jahrhunderts der innere Zerfall des Byzantinischen Reiches, gekennzeichnet durch Abspaltungen von Territorien und einen Autoritätsverlust des Kaisers.
Vocabulary: Seerepubliken waren die wichtigsten Handelsmächte im Mittelmeer im 12. Jahrhundert, bestehend aus Amalfi, Genua, Pisa und Venedig.
Die Gründe für den Kreuzzug waren vielfältig. Neben dem ursprünglichen Ziel, Jerusalem und Ägypten zu erobern, spielten auch wirtschaftliche und machtpolitische Interessen eine Rolle. Die Eroberung der Küstenstadt Zara (heute Zadar) und der spätere Angriff auf Konstantinopel waren nicht Teil des ursprünglichen Plans, sondern ergaben sich aus den Umständen und den Interessen der beteiligten Parteien.
Der Verlauf des Kreuzzuges war geprägt von unerwarteten Wendungen. 1198 rief Papst Innozenz III. zum Kreuzzug auf, und Venedig wurde mit der Organisation des Transports beauftragt. Als im Oktober 1202 der Kreuzzug beginnen sollte, konnten statt der erwarteten 30.000 nur 10.000 Kreuzfahrer antreten. Dies führte zu finanziellen Problemen für Venedig, das daraufhin die Kreuzritter erpresste, die christliche Stadt Zara zu erobern.
Highlight: Die Eroberung von Zara im November 1202 markierte die erste Veränderung des Kriegszieles und führte zur Verbannung der Venezianer durch den Papst.
Nach der Überwinterung in Zara entwickelte sich der Plan, Konstantinopel anzugreifen. Als Legitimation diente Alexios Angelos, der Sohn des gestürzten Kaisers Isaak II. Angelos. Im Juli 1203 erreichten die Kreuzfahrer und Venezianer Konstantinopel und setzten Isaak II. wieder als Kaiser ein. Die Spannungen eskalierten jedoch, als die versprochenen Belohnungen nicht gezahlt werden konnten.
Quote: "Apr. 1204: Kreuzfahrer & Venezianer plünder, erobern, und zerstören Konstantinopel"
Das Ergebnis des 4. Kreuzzuges war die Aufteilung des Byzantinischen Reiches unter den Siegern und die Einrichtung des Lateinischen Kaiserreichs in Konstantinopel als europäischer Marionettenstaat. Die langfristigen Folgen waren gravierend: Eine immer größer werdende Distanz zwischen West- und Ostkirche entwickelte sich, die bis heute nachwirkt.
Definition: Byzanz war der ehemalige Name Konstantinopels und war damals, wenn auch nicht offiziell, sehr gängig.
Der 4. Kreuzzug stellt somit einen Wendepunkt in der Geschichte der Kreuzzüge und der europäisch-byzantinischen Beziehungen dar. Er zeigt eindrücklich, wie ursprüngliche Ziele durch politische und wirtschaftliche Interessen verändert werden können und welche weitreichenden Folgen solche Veränderungen haben können.