Die deutsche Außenpolitik erfuhr zwischen der Ära Bismarck und Wilhelm II. einen dramatischen Wandel, der weitreichende Folgen für Europa hatte.
Bismarcks Außenpolitik war von Besonnenheit und einem komplexen Bündnissystem geprägt. Als Reichskanzler entwickelte er nach 1871 eine defensive Strategie, die Deutschlands Position als "saturierte" Macht in Europa sichern sollte. Der Dreibund mit Österreich-Ungarn und Italien bildete dabei das Fundament seiner Politik. Durch geschickte Diplomatie gelang es Bismarck, auch gute Beziehungen zu Russland aufrechtzuerhalten und Frankreich außenpolitisch zu isolieren. Seine Bündnispolitik zielte darauf ab, einen europäischen Krieg zu verhindern und Deutschland vor einer feindlichen Koalition zu schützen.
Im Gegensatz dazu verfolgte Wilhelm II. nach Bismarcks Entlassung 1890 eine aggressive Außenpolitik, die auf Weltmachtstreben und koloniale Expansion ausgerichtet war. Der Kaiser ließ den Rückversicherungsvertrag mit Russland auslaufen, was zur französisch-russischen Annäherung führte. Seine Politik der "Weltpolitik" und massive Flottenrüstung verschärften die Spannungen mit Großbritannien. Diese außenpolitische Neuausrichtung führte zur diplomatischen Isolation Deutschlands und trug maßgeblich zum Ausbruch des 1. Weltkriegs bei. Die Niederlage im Krieg mündete im Versailler Vertrag, der Deutschland harte Bedingungen auferlegte: massive Gebietsverluste, Reparationszahlungen und militärische Beschränkungen. Die Folgen des Versailler Vertrags belasteten die Weimarer Republik schwer und schufen Bedingungen, die später den Aufstieg des Nationalsozialismus begünstigten.