Risikowege und pädagogische Perspektiven im Modell der produktiven Realitätsverarbeitung
Das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung nach Hurrelmann berücksichtigt auch mögliche Risikowege, die Jugendliche einschlagen können, wenn sie die Entwicklungsaufgaben nicht bewältigen. Diese Risikowege sind Kompensationsstrategien und können in drei Varianten auftreten:
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Externalisierende Variante:
- Nach außen gerichtete Verhaltensweisen
- Aggressionen gegen andere
- Gewalt und Kriminalität
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Evadierende Variante:
- Ausweichendes Verhalten
- Fluchtförmige Verhaltensweisen
- Wechselhafte soziale Beziehungen
- Suchtgefährdetes Verhalten (z.B. unkontrollierter Drogenkonsum)
- Übermäßige Nutzung elektronischer Medien
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Internalisierende Variante:
- Nach innen gerichtete Verhaltensweisen
- Rückzug und Isolation
- Psychosomatische Störungen und depressive Stimmungen
- Teilweise Selbstaggression und Suizidversuche
Highlight: Bei der internalisierenden Variante wird der Versagensdruck nicht nach außen abgeschoben, sondern trifft die eigene Psyche des Jugendlichen.
Das Modell betont die Bedeutung von personalen und sozialen Ressourcen für die erfolgreiche Bewältigung der Entwicklungsaufgaben:
- Personale Ressourcen: Individuelle Kompetenzen zur Bewältigung der Entwicklungsaufgaben
- Soziale Ressourcen: Unterstützung durch die Umwelt, einschließlich Familie, Freunde und Peergroups
Definition: Sozialisation wird im Modell als die dynamische und produktive Verarbeitung der inneren und äußeren Realität verstanden.
Die Entwicklung einer balancierten Ich-Identität erfolgt durch die produktive Verarbeitung der inneren und äußeren Realität, das Wechselspiel von Anlage und Umwelt sowie die Synthese des Spannungsverhältnisses von Individuation und Integration.
Aus pädagogischer Perspektive betont das Modell, dass Erwachsene die Selbstständigkeit und das Selbstmanagement der Jugendlichen fördern müssen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit einer unterstützenden Umgebung, die den Jugendlichen Raum für ihre Entwicklung gibt, während sie gleichzeitig Orientierung und Hilfestellung bietet.
Example: Ein Beispiel für die Anwendung dieser pädagogischen Perspektive könnte sein, dass Lehrer Projekte initiieren, die Jugendlichen erlauben, eigenständig Lösungen für reale Probleme zu entwickeln, während sie bei Bedarf beratend zur Seite stehen.
Die Hurrelmann Theorie und ihre 10 Prinzipien bieten somit einen umfassenden Rahmen für das Verständnis und die Förderung der Identitätsentwicklung im Jugendalter, der sowohl für Pädagogen als auch für Eltern wertvolle Einblicke und Handlungsansätze liefert.