1. Deutschland nach 1945
1.1 Kriegsende 8. Mai 1945
Das Kriegsende am 8. Mai 1945 markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Die Bedeutung dieses Datums wurde je nach Perspektive und Zeit unterschiedlich wahrgenommen:
-
Unmittelbar nach Kriegsende: Für Verfolgte und Gegner des NS-Regimes bedeutete es Befreiung, für überzeugte Nationalsozialisten hingegen Niederlage und Demütigung.
-
In den 1950er und 1960er Jahren: In der BRD stand das Gedenken an Geflüchtete und die Vergeltung durch die Rote Armee im Vordergrund. In der DDR wurde das Kriegsende als Sieg über den Faschismus gefeiert.
-
Ab den 1970er Jahren: In der BRD begann unter Willy Brandt eine intensivere Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Die Täterrolle der Deutschen rückte stärker in den Fokus.
-
1980er Jahre: Bundespräsident Richard von Weizsäcker plädierte für einen selbstkritischen und differenzierten Umgang mit der Vergangenheit.
Highlight: Die Wahrnehmung des Kriegsendes wandelte sich von einer anfänglichen Spaltung in "Befreite" und "Besiegte" hin zu einer differenzierteren Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit.
1.2 Nachkriegsverhältnisse
Das Leben in der Nachkriegszeit war von zahlreichen Problemen und einer allgemeinen Perspektivlosigkeit geprägt. Die Menschen waren auf Selbsthilfe im täglichen Überlebenskampf angewiesen. Die Hauptprobleme lassen sich in verschiedene Bereiche gliedern:
- Zerstörung: Infrastruktur, Städte, Industrie und Landwirtschaft lagen in Trümmern.
- Wirtschaft: Es herrschte Warenmangel, Armut und eine Kohlekrise. Die Währung war entwertet und ein funktionierender Markt existierte nicht. Stattdessen blühte der Schwarzmarkt.
- Psychische Belastungen: Kriegsinvaliden, Traumata, Kriegsgefangenschaft und der Verlust von Angehörigen prägten die Psyche der Menschen.
- Politik: Es gab keine funktionierenden politischen Strukturen oder staatlichen Autoritäten. Die Besatzungszonen der Alliierten bestimmten das politische Leben.
Example: Ein typisches Beispiel für die Selbsthilfe in der Nachkriegszeit waren die sogenannten "Trümmerfrauen", die in den zerstörten Städten Schutt wegräumten und Steine für den Wiederaufbau sammelten.
1.3 Flucht und Vertreibung
Die Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den östlichen Gebieten begann im Winter 1944/45 und war eine der größten Bevölkerungsverschiebungen der europäischen Geschichte:
- Zunächst flohen viele Deutsche vor der heranrückenden Roten Armee.
- Bis Sommer 1945 kam es zu "wilden Vertreibungen" von Sudetendeutschen und Volksdeutschen, oft begleitet von Gewalt und Zwangsarbeit.
- Der in Potsdam beschlossene "Überführungsplan" sollte einen humaneren Bevölkerungstransfer gewährleisten.
Vocabulary: "Volksdeutsche" waren ethnische Deutsche, die außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches lebten.
Die Vertriebenen stießen in den westlichen Besatzungszonen oft auf Gleichgültigkeit, da die dortige Bevölkerung selbst mit Erschöpfung, Mangel und Hoffnungslosigkeit zu kämpfen hatte.