Verhaltensbiologie und angeborenes Verhalten
Die Verhaltensbiologie beschäftigt sich mit den Grundlagen tierischen und menschlichen Verhaltens. Ein zentrales Konzept dabei ist das Prinzip der doppelten Quantifizierung. Dieses besagt, dass die Intensität einer Instinkthandlung von zwei Faktoren bestimmt wird: der Qualität und Quantität des Reizmusters sowie der Stärke der Motivation.
Definition: Das Prinzip der doppelten Quantifizierung erklärt, dass ein großer Reiz mit geringer Motivation dieselbe auslösende Wirkung haben kann wie ein geringer Reiz mit großer Motivation.
Ein wichtiges Instrument zur Untersuchung angeborenen Verhaltens ist das Kaspar-Hauser-Experiment. Bei diesem Versuch werden Tiere ohne Kontakt zu Artgenossen in einer veränderten Umwelt aufgezogen.
Highlight: Das Kaspar-Hauser-Experiment dient als Nachweis für angeborenes Verhalten. Wenn eine Verhaltensweise trotz Erfahrungsentzug auftritt, gilt dies als Beweis für ihre genetische Verankerung.
Beispiel: Bei isoliert aufgezogenen weiblichen Ratten setzt das Nestbauverhalten ein, sobald sie Nistmaterial erhalten - genau wie bei normal aufgezogenen Artgenossen. Dies zeigt, dass das Nestbauverhalten angeboren ist.
Auch beim Menschen gibt es Hinweise auf angeborenes Verhalten. Diese stammen aus verschiedenen Quellen:
- Beobachtungen an taubblind geborenen Kindern, die trotz fehlender sensorischer Erfahrungen charakteristische menschliche Mimik zeigen.
- Untersuchungen an Säuglingen, die Reflexe wie den Greif- und Saugreflex aufweisen.
- Familienanalysen und Zwillingsvergleiche.
- Kulturvergleichende Studien.
- Vergleiche zwischen Menschen und Menschenaffen.
Ein weiteres interessantes Phänomen in der Verhaltensbiologie ist die Handlungskette. Hierbei dient die Endhandlung einer Verhaltensweise als Schlüsselreiz für die nächste Endhandlung.
Beispiel: Bei der Nahrungsaufnahme löst das Zuschnappen den Schluckreflex aus, der wiederum zum Maulwischen führt.
Verhaltensweisen können sich auch anpassen. Wichtige Mechanismen hierbei sind:
- Habituation: Die Abnahme der Reaktionsstärke nach wiederholter Reizung, auch als Gewöhnung bekannt.
- Dishabituation: Das Wiederauftreten der ursprünglichen Reaktionsstärke nach einer Pause oder Reizung an anderer Stelle.
- Sensitivierung: Die Verstärkung der Reizwirkung durch einen vorausgegangenen Reiz.
- Üben/Optimieren: Die Modifikation genetisch bedingter Verhaltensmuster durch Erfahrung.
- Erkunden/Spielen: Die Kombination genetisch bedingter, erlernter und zufälliger Verhaltenselemente, die zu Optimierungen führt.
Vocabulary: Proximat und ultimat sind wichtige Begriffe in der Verhaltensbiologie. Proximate Ursachen beziehen sich auf die unmittelbaren Auslöser eines Verhaltens, während ultimate Ursachen die evolutionären Gründe für ein Verhalten erklären.
Diese Konzepte bilden die Grundlage für das Verständnis von Verhalten in der Biologie und helfen uns, die komplexen Interaktionen zwischen Genetik, Umwelt und Erfahrung zu verstehen.