Kritik und Gegenpositionen zur Sapir-Whorf-Hypothese
Die Sapir-Whorf-Hypothese hat seit ihrer Formulierung viel Kritik erfahren und verschiedene Gegenpositionen hervorgerufen. Diese Kritik ist wichtig für ein umfassendes Verständnis der Hypothese und ihrer Grenzen.
Eine bedeutende Gegenposition kommt aus dem Bereich des Nativismus:
- Noam Chomsky, ein einflussreicher Linguist, vertritt die Theorie der Universalgrammatik. Er geht davon aus, dass es angeborene Basisstrukturen gibt, die beim Spracherwerb aktiviert werden.
Definition: Die Universalgrammatik ist die Theorie, dass alle menschlichen Sprachen gemeinsame grundlegende Strukturen teilen, die genetisch vererbt werden.
- Steven Pinker, ein Linguist und Kognitionswissenschaftler, spricht von einem "Sprachinstinkt" und der "Sprache der Gedanken" (Mentalesisch). Er argumentiert, dass Kinder mit angeborenen Denkstrukturen ausgestattet sind.
Highlight: Diese nativistischen Ansätze legen nahe, dass die Sprache dem Denken nachgeordnet sein muss und weniger Einfluss auf das Denken hat, als die Sapir-Whorf-Hypothese annimmt.
Neurolinguistische Modelle zeigen ein komplexeres Verhältnis zwischen Sprache, Denken und Wirklichkeit:
- Sie weisen darauf hin, dass neben der Sprache auch andere Strukturen für das Denken maßgeblich sind, wie Räumlichkeitskategorien und bildhafte Vorstellungen.
Example: Die Fähigkeit, sich räumliche Beziehungen vorzustellen, kann unabhängig von sprachlichen Beschreibungen existieren.
Es gibt auch direkte Kritik an Whorfs Forschungsmethoden und -ergebnissen:
- Whorf stützte sich hauptsächlich auf sekundäre Quellen.
- Die berühmte "Eskimo-Schnee-These" wurde widerlegt.
- Die Hopi-Sprache weist doch nicht so große Unterschiede auf, wie ursprünglich angenommen.
Vocabulary: Sekundäre Quellen sind Informationen, die nicht direkt vom Forscher erhoben wurden, sondern aus anderen Quellen stammen.
Die Sapir-Whorf-Hypothese hat auch Erklärungslücken:
- Sie kann die kognitiven Fähigkeiten von Menschen, die seit der Geburt gehörlos sind, kaum erklären.
- Die gelegentliche Schwierigkeit, Gedanken in Worte zu fassen, spricht eher für das Prinzip der Mentalese von Steven Pinker.
Quote: Pinker argumentiert: "Die Tatsache, dass Menschen manchmal sagen, sie wüssten, was sie meinen, könnten es aber nicht ausdrücken, deutet darauf hin, dass Gedanken nicht mit Sprache identisch sind."
Trotz dieser Kritikpunkte und Gegenpositionen bleibt die Sapir-Whorf-Hypothese ein wichtiger Bezugspunkt in der Diskussion über den Zusammenhang von Sprache und Denken. Die anhaltende Debatte und neue Forschungsergebnisse zeigen, dass das Thema weiterhin relevant und komplex ist.