Der Roman "Der Vorleser" thematisiert die komplexe Beziehung zwischen dem 15-jährigen Michael Berg und der 36-jährigen Hanna Schmitz, wobei Analphabetismus eine zentrale Rolle spielt.
Die Geschichte offenbart, wie Hannas funktionaler Analphabetismus ihr Leben grundlegend prägt und zu tragischen Entscheidungen führt. Als ehemalige KZ-Aufseherin versteckt sie ihre Unfähigkeit zu lesen und zu schreiben, was letztendlich zu ihrer Verurteilung beiträgt. Die Schuldfrage wird dabei vielschichtig beleuchtet - einerseits ihre persönliche Schuld an NS-Verbrechen, andererseits die gesellschaftliche Mitverantwortung für Menschen wie Hanna, die durch mangelnde Bildung in problematische Situationen geraten.
Das Werk verdeutlicht die weitreichenden Folgen von Analphabetismus in Deutschland, ein Problem, das auch heute noch aktuell ist. Statistiken zeigen, dass etwa 6,2 Millionen Menschen in Deutschland als funktionale Analphabeten gelten. Die Ursachen sind vielfältig: von schwierigen familiären Verhältnissen über Lernstörungen bis hin zu mangelnder schulischer Förderung. Der Roman zeigt eindrücklich, wie Primärer Analphabetismus zu sozialer Isolation und eingeschränkten Lebensmöglichkeiten führen kann. Die Beziehung zwischen Hanna und Michael wird dabei zum Symbol für die komplexen Verstrickungen zwischen persönlicher Verantwortung, gesellschaftlichen Strukturen und den Folgen mangelnder Bildung. Besonders wichtige Textstellen verdeutlichen, wie Hannas Analphabetismus ihr Verhalten bestimmt und sie in ihrer Entwicklung hemmt.