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Analyse ,,Streuselschnecke,,

22.3.2023

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Julia Franck: Streuselschnecke (2000)
Der Anruf kam, als ich vierzehn war. Ich wohnte seit einem Jahr nicht mehr bei
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Julia Franck: Streuselschnecke (2000)
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5 10 15 20 25 30 35 Julia Franck: Streuselschnecke (2000) Der Anruf kam, als ich vierzehn war. Ich wohnte seit einem Jahr nicht mehr bei meiner Mutter und meinen Schwestern, sondern bei Freunden in Berlin. Eine fremde Stimme meldete sich, der Mann nannte seinen Namen, sagte mir, er lebe in Berlin, und fragte, ob ich ihn kennen lernen wolle. Ich zögerte, ich war mir nicht sicher. Zwar hatte ich schon viel über solche Treffen gehört und mir oft vorgestellt, wie so etwas wäre, aber als es so weit war, empfand ich eher Unbehagen. Wir verabredeten uns. Er trug Jeans, Jacke und Hose. Ich hatte mich geschminkt. Er führte mich ins Cafe Richter am Hindemithplatz und wir gingen ins Kino, ein Film von Rohmer. Unsympathisch war er nicht, eher schüchtern. Er nahm mich mit ins Restaurant und stellte mich seinen Freunden vor. Ein feines, ironisches Lächeln zog er zwischen sich und die anderen Menschen. Ich ahnte, was das Lächeln verriet. Einige Male durfte ich ihn bei seiner Arbeit besuchen. Er schrieb Drehbücher und führte Regie bei Filmen. Ich fragte mich, ob er mir Geld geben würde, wenn wir uns treffen, aber er gab mir keins, und ich traute mich nicht, danach zu fragen. Schlimm war das nicht, schließlich kannte ich ihn kaum, was sollte ich da schon verlangen. Außerdem konnte ich für mich selbst...

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Alternativer Bildtext:

sorgen, ich ging zur Schule und putzen und arbeitete als Kindermädchen. Bald würde ich alt genug sein, um als Kellnerin zu arbeiten und vielleicht wurde ja auch eines Tages etwas Richtiges aus mir. Zwei Jahre später, der Mann und ich waren uns noch immer etwas fremd, sagte er mir, er sei krank. Er starb ein Jahr lang, ich besuchte ihn im Krankenhaus und fragte, was er sich wünsche. Er sagte mir, er habe Angst vor dem Tod und wolle es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Er fragte mich, ob ich ihm Morphium besorgen könne. Ich dachte nach, ich hatte einige Freunde, die Drogen nahmen, aber keinen, der sich mit Morphium auskannte. Auch war ich mir nicht sicher, ob die im Krankenhaus herausfinden wollten und würden, woher es kam. Ich vergaß seine Bitte. Manchmal brachte ich ihm Blumen. Er fragte nach dem Morphium und ich fragte ihn, ob er sich Kuchen wünsche, schließlich wusste ich, wie gerne er Torte aß. Er sagte, die einfachen Dinge seien ihm jetzt die liebsten - er wolle nur Streuselschnecken, zwei Bleche voll. Sie waren noch warm, als ich sie ins Krankenhaus brachte. Er sagte, er hätte gerne mit mir gelebt, es zumindest gern versucht, er habe immer gedacht, dafür sei noch Zeit, eines Tages - aber jetzt sei es zu spät. Kurz nach meinem siebzehnten Geburtstag war er tot. Meine kleine Schwester kam nach Berlin, wir gingen gemeinsam zur Beerdigung. Meine Mutter kam nicht. Ich nehme an, sie war mit anderem beschäftigt, außerdem hatte sie meinen Vater zu wenig gekannt und nicht geliebt. Julia Franck - ,,Die Streuselschnecke" Wie läuft das Treffen ab? Wie verhalten Tochter und Vater sich? Sie verhalten sich distanziert Sie empfindet Unbehagen (Z. 6) Tochter spricht schon zu Beginn von einer ,,fremden Stimme" - Distanz ,,unsympathisch war er nicht, sondern schüchtern" Distanziertheit ,,Ein feines ironisches Lächeln ..." (Z. 10) → oberflächliche, gespielte Beziehung zwischen ihm und anderen. Zieht Abstand/Grenzen zwischen anderen und sich → Metapher! keine Emotion in der Beschreibung des Treffens durch die Tochter Traurigkeit → sie traut sich nicht, ihn nach Geld zu fragen (,,was sollte ich da schon verlangen") Z. 15f (könnte aber auch Wut/Resignation sein) Distanz wird auch deutlich, wenn er sie nach Schmerzmitteln fragt sie geht gar nicht darauf ein! Erster Annäherungsversuch durch die ,,Streuselschnecke“ → die Streuselschnecke steht für langsame Annäherung im Schneckentempo. Der Vater ist,,am Ende der Schnecke" und dachte, es wäre noch Zeit, etwas mit der Tochter zu unternehmen etc. Analyse ,,Streuselschnecke" (Zeilenangaben weichen von unserer Vorlage ab) Die 2000 von Julia Franck verfasste Kurzgeschichte „Streuselschnecke" thematisiert einerseits gesellschaftliche Missstände und andererseits anhand einer wiederauflebenden Vater-Tochter Beziehung - wie kurz das Leben sein kann und was darin wirklich wichtig zu sein scheint. Ein 14-jähriges Mädchen wohnt bei Freunden in Berlin und bekommt eines Tages einen Anruf von ihrem entfremdeten Vater, der sie gerne kennenlernen möchte. Sie ist sich anfangs nicht sicher, willigt dann aber einem Treffen zu. Sie begegnen sich und er stellt ihr seine Freunde vor, während sie ihn auch einige Male bei der Arbeit besucht. Als der Vater nach zwei Jahren krank wird und ein Jahr lang im Sterben liegt, besucht ihn die Erzählerin im Krankenhaus und versucht, seinen Wünschen so gut wie möglich nachzukommen. Seinem Verlangen nach Morphium kann sie nicht nachkommen, doch sie backt ihm seinem Wunsch entsprechend Streuselschnecken. Während er sie verzehrt, gesteht er ihr, dass er gerne mit ihr zusammengelebt hätte, ihm nun aber die Zeit ausläuft. Die kleine Schwester der Erzählerin kommt zur Beerdigung des Vaters nach Berlin, doch die Mutter bleibt fern, weil sie laut der Erzählerin den Vater zu wenig gekannt und nicht geliebt hatte. Wie es für Kurzgeschichten typisch ist, gibt es nur wenige handelnde Personen: In diesem Fall Vater und Tochter. Die Mutter und die Schwestern der Erzählerin bleiben nur Randpersonen. Die namenlose Erzählerin ist zu Beginn der Kurzgeschichte mit vierzehn Jahren noch recht jung. Man könnte daher annehmen, dass sie noch bei ihren Eltern wohnt und wohlbehütet aufwächst. Doch diese Annahme erweist sich schnell als falsch, denn die Erzählerin wohnt schon seit einem Jahr nicht mehr bei [ihrer] Mutter und [ihren] Schwester, sondern bei Freunden in Berlin" (Z.1/2). Hier findet man das erste Anzeichen dafür, wie unabhängig und reif das Mädchen für ihr Alter schon ist, bzw. schon werden musste. Außerdem deutet die Autorin auch schon das zerrüttete Familienverhältnis der Erzählerin an. Die Reife der Erzählerin bringt Franck vor allem auch durch ihre Sprache herüber: Die Geschichte wird im neutralen und kalten Ton erzählt, wodurch die Autorin darauf verweist, dass das Mädchen bisher ein schwieriges Leben hatte und nicht viele Emotionen zeigen kann. Doch auch ein konkretes Ereignis kann als Beweis für die frühe Reife der Erzählerin gesehen werden. So fragt sich das Mädchen, ob sein Vater ihm Geld geben wird (vgl. Z. 14). Zwar könnte die Erzählerin es durchaus gebrauchen, doch sie ist unabhängig genug, um „für [sich] selbst zu sorgen" (Z. 16) und zwar durch ihre Tätigkeiten als Putzfrau und Kindermädchen (vgl. Z. 17/18). Scheinbar ist es ihr wichtiger, ihren Vater kennenzulernen, als Geld von ihm zu bekommen. Der Autorin gelingt es durch subtile Hinweise auf das Umfeld des Mädchens, auf die gesellschaftlichen Probleme aufmerksam zu machen, denen es ausgesetzt ist. So sind Drogen für die Erzählerin etwas alltägliches (vgl. Z. 23-26). Dieser Eindruck eines harten Lebens wird dadurch verstärkt, dass dem Leser anfangs nicht klar ist, dass es sich bei dem anrufenden Mann um den Vater des Mädchens handelt. Unweigerlich werden beim Leser Assoziationen mit dem Rotlichtmilieu geweckt, wenn die Erzählerin berichtet, dass ein Treffen sie mit Unbehagen erfüllt (vgl. Z. 6) und dass sie sich für einen „fremde[n]“ (Z. 2) Mann schminkt (vgl. Z. 7). Erst am Ende der Geschichte wird dies vollkommen aufgelöst, wobei der aufmerksame Leser schon im Verlauf der Geschichte die Identität des Mannes erahnen kann. Doch trotz ihres abgehärteten Auftretens und der nüchternen Erzählweise, legt die Erzählerin auch gefühlsbetontes Verhalten an den Tag: Sie besucht ihren Vater vor dessen Tod regelmäßig im Krankenhaus (vgl. Z. 21), versucht seinen Wünschen so gut es geht nachzukommen (vgl. Z. 21/22), backt ihm die gewünschten Streuselschnecken (vgl. Z. 30/31) und geht schließlich sogar auf seine Beerdigung (vgl. Z. 35). Insgesamt ist die Erzählerin der Kurzgeschichte also ein für ihr Alter sehr reifes und unabhängiges Mädchen, das jedoch unter seinen zerrütteten Familienverhältnissen leidet und gern auch mehr Liebe und Zuneigung in seinem Leben hätte. Im Laufe der Kurzgeschichte entwickelt sich ein Verhältnis zwischen der Erzählerin und ihrem Vater. Bis zu seinem Anruf ist er ihr „fremd“ (Z. 2) gewesen. Daher zögert sie zunächst, ihn zu treffen, aber das Verlangen, ihren Vater kennenzulernen, ist dann und ihre Neugier sind doch größer als ihr „Unbehagen" (Z. 6). Für das erste Treffen schminkt sich die Erzählerin (vgl. Z. 7), was ein Anzeichen dafür ist, dass sie ihrem Vater gefallen möchte. Sie hat sich schick für ihn gemacht und es liegt ihr etwas daran, dass dieses Verhältnis zustande kommt und funktioniert. Auch der Vater gibt sich Mühe. Zwar macht er sich nicht wie die Tochter äußerlich schick, doch da er „eher schüchtern" (Z. 9) ist, kann man annehmen, dass ihn der Anruf und das Treffen einiges aneinige Überwindung gekostet hat. Auch ihm liegt etwas daran, dass er seine Tochter besser kennenlernt. Schon beim ersten Treffen entdeckt die Tochter dann Gemeinsamkeiten zu ihrem Vater: Er zieht ein „feines, ironisches Lächeln" (Z. 10) zwischen sich und andere Menschen. Sie ahnt schon, was dieses Lächeln bedeutet (vgl. Z. 11), versteht also schon nach dieser kurzen Zeit einen Aspekt ihres Vaters. Es ist anzunehmen, dass das feine, ironische Lächeln eine Distanzierung des Vaters gegenüber seinen Mitmenschen ist, die vielleicht seiner Schüchternheit entspringt. Auch die Tochter distanziert sich durch ihre nüchterne und sachliche Erzählweise vom Leser und von ihrer Umgebung. Wie schon bei der Charakterisierung der Erzählerin beschrieben, macht sie sich nun kurz Gedanken um Geld. Doch obwohl der Vater ihr nichts anbietet, bemüht sie sich weiterhin um ein Verhältnis zu ihm (vgl. Z. 14-16). Ihn kennenzulernen ist ihr wichtiger, als Geld von ihm zu bekommen. Nach zwei Jahren, in denen sich Vater und Tochter ,,noch immer etwas fremd" (Z. 20) sind, offenbart der Vater der Erzählerin, dass er sterben wird (vgl. Z. 21). Obwohl sie sich nicht viel näher kennengelernt haben, bemüht sich die Tochter darum, im letzten Lebensabschnitt ihres Vaters für ihn da zu sein. An dieser Stelle wird deutlich, wie viel der Erzählerin an ihrem Vater liegtwichtig der Vater für die Erzählerin geworden ist. Als er sie um Morphium bittet (vgl. Z. 23), vergisst sie seine Bitte (vgl. Z. 27). Es ist jedoch anzunehmen, dass sie dies absichtlich tut, da sie sonst sehr aufmerksam ist und ihm Blumen bringt (vgl. Z. 27) und die gewünschten Streuselschnecken backt (vgl. Z. 30/31). Die Tatsache, dass die Tochter weiß, dass ihr Vater Torten magvon der Leidenschaft des Vaters für Torten weiß (vgl. Z. 28/29), ist ein Hinweis darauf, wie gut sie sich inzwischen doch kennen. Das ,Vergessen' der Bitte könnte man so deuten, dass dem Mädchen so viel an seinem Vater liegt, dass es nicht bereit ist, auf irgendeine Weise an dessen Tod eine Teilschuld zu tragen. Auch die Erzählerin ist ihrem Vater über die vergangen beiden Jahre ans Herz gewachsen: Er offenbart ihr vor dem Tod, dass er gerne mit ihr gelebt hätte, „es zumindest versucht" (Z. 32/33) hätte, aber immer dachte, dass dafür noch Zeit sein würde (vgl. Z. 33). Zusammenfassend kann das Verhältnis, das sich im Laufe der Geschichte zwischen Vater und Tochter entwickelt, also als ein gutes, wenn auch tragisches, beschrieben werden. Die beiden kommen einander sich etwas näher und bedeuten einander etwasgewinnen an Bedeutung füreinander. Es hätte sogar die Möglichkeit eines Zusammenlebens und noch besseren Kennenlernens bestanden, doch der Tod hat diese Pläne auf tragische Weise durchkreuzt. Über das Verhältnis der Erzählerin zur Mutter wird direkt nichts direkt offenbart. Der Leser muss es sich indirekt herleiten. Franck liefert jedoch zwei zentrale Hinweise darauf. Der erste ist befindet sich am Anfang der Geschichte, als die Erzählerin sagt, dass sie schon seit einem Jahr nicht mehr bei ihrer Mutter und ihren Schwestern wohnt, sondern bei Freunden in Berlin (vgl. Z. 1/2). Dies ist vor allem wichtig angesichts der Tatsache, dass die Erzählerin zu diesem Zeitpunkt erst vierzehn ist (vgl. Z. 1). Hier weißt weist die Autorin deutlich darauf hin, dass das Verhältnis der Tochter zur Mutter zerrüttet und durch irgendetwas gewisse Umstände belastet ist, denn sonst wäre die Erzählerin wohl kaum in solch einem frühen Altern von zu Hause ausgezogen. Der zweite Hinweis steht am Ende der Kurzgeschichte. Hier versucht die Erzählerin die Abwesenheit ihrer Mutter auf der Beerdigung ihres Vaters dadurch zu rechtfertigen, dass diese mit „mit anderem beschäftigt" (Z. 36) ist und den Vater ohnehin ,,zu wenig gekannt und nicht geliebt" (Z. 37) hat. Dieser Hinweis ist insofern wichtig, als klar wird, dass die Tochter immer noch das Bedürfnis hat, ihre Mutter in Schutz zu nehmen. Zusammenfassend kann man also sagen, dass das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter eher schlecht ist - entweder sind sie zerstritten oder die Mutter kümmert sich nicht um die Tochter -, der Erzählerin nichtsdestotrotz aber etwas an ihrer Mutter liegt. Indem weder die Erzählerin noch ihre Eltern oder Schwestern einen Namen tragen, bleibt die Geschichte recht anonym. Die Autorin möchte hiermit zum Ausdruck bringen, dass es nur eine Geschichte unter vielen ist und solche Missstände - ein von seinen Eltern entfremdetes Kind, das auf sich alleingestellt in der Großstadt Berlin wohnt und Umgang mit Drogen hat - heute beinahe alltäglich sind. Gerade dadurch, dass die zerrütteten Familienverhältnisse der Erzählerin und die harten Umstände ihres Lebens so normal wirken, betont die Autorin diese Missstände. Mit Hinblick auf die Protagonistin ist es Franck also gut gelungen, einerseits soziale Missstände aufzuzeigen und andererseits zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, mehr Zeit in die Dinge zu investieren, die einem etwas bedeuten. Durch das Verhältnis zwischen Vater und Tochter wird klar, dass das Leben kurz ist und ein tragisches Ende nehmen kann. Die Tochter und der Vater haben alles richtig gemacht, indem das Mädchen Geld nicht so wichtig war und der Vater seine Schüchternheit überwunden hat - trotzdem ist ihnen das Schicksal zuvor gekommen. Der Leser fragt sich, ob die Tochter nun aus dieser Tragödie eigene Schlüsse zieht und sich vielleicht bemüht, das Verhältnis zur Mutter - an dem ihr offensichtlich noch etwas liegt - wiederaufleben zu lassen und dadurch den Missständen der Gesellschaft, denen sie ausgesetzt ist, entfliehen kann. In ,,Streuselschnecke" liegt eine personale Ich-Erzählerin aus Sicht der Tochter vor. Dies ist insofern wichtig, als es der Autorin dadurch gelingt, die schwierige Lebenssituation des Mädchens besonders gut zu veranschaulichen und das sich entwickelnde Verhältnis zum Vater nachzuzeichnen. Außerdem kann damit über die Sprache der Erzählerin ein Rückschluss auf ihren Charakter gezogen werden. Insgesamt liegt eine nüchterne und distanzierte Sprache vor. Zum Beispiel wird die Rede der Figuren oft indirekt dargestellt. Die Erzählerin gibt Fakten wieder, vermeidet aber eine emotionalere Ausdrucksweise. Weiterhin besteht die Erzählung weder aus Details in Bezug auf den Ort der Handlung noch aus Zeitangaben. Man erfährt zwar den Namen der Stadt, in der Vater und Tochter leben, und den Namen des Cafés, in dem sie sich treffen, doch darüber hinaus wird nichts genauer beschrieben.. Ebenfalls erfährt man nicht, um welchen Tag, Monat oder welche Jahreszeit es sich handelt. Lediglich ein „Zwei Jahre später" (Z. 19) und ein „kurz nach meinem siebzehnten Geburtstag" (Z. 34) verraten ungefähre zeitliche Abstände,. Auch das Äußere der Figuren wird kaum beschrieben. Zum einen bestärkt dies die ,Anonymität der Geschichte, die schon in Bezug auf die Namenlosigkeit der Personen beschrieben wurde, und zum anderen bekräftigt diese Sprache die frühe Reife der Erzählerin, die aufgrund ihres schweren Lebens schon sehr selbstständig und abgehärtet ist. Franck bedient sich darüber hinaus einiger sprachlicher Mittel, um die Botschaft ihrer Kurzgeschichte zu unterstreichen. So arbeitet sie in „Streuselschnecke“ u.a. mit indirekter Rede, einer Anapher, der Erzähltechnik der Zeitraffung, einer Pointe und Metaphern rund um die Streuselschnecke. Die Erzählerin gibt alles Gesagte in indirekter Rede wieder. Dies bestärkt die sachliche, berichtende Erzählhaltung, welche die Ich-Erzählerin einnimmt. Dadurch baut das Mädchen Distanz zu seiner Umwelt auf, was wiederum ein Ausdruck der Missstände der Gesellschaft ist. Die Erzählerin hat bisher ein schwieriges Leben geführt und ist aufgrund der zerrütteten Familienverhältnisse schnell erwachsen und selbstständig geworden.. In Zeile 21 bis 23 beginnt jeder Satz mit ,,Er", womit der Vater gemeint ist. Durch diese Anapher wird betont, wie sehr die Erzählerin auf ihren Vater fixiert ist und wie viel er ihr inzwischen bedeutet. Franck bedient sich der für Kurzgeschichten typischen Erzählgeschwindigkeit des Zeitraffens. Das bedeutet, dass die erzählte Zeit länger ist als die Erzählzeit. So gelingt es der Autorin, trotz der Kürze des Textes die langsame Annäherung zwischen Vater und Tochter zu veranschaulichen, geradezu zu betonen. Dadurch entsteht auch ein tragischer Spannungsbogen, da über zwei Jahre hinweg kaum etwas passiert und dann am Schluss der Geschichte der Vater stirbt und seine wahre Identität in der Pointe verraten wird. Am Ende einer Kurzgeschichte steht oft eine Pointe. Hier liegt die Pointe darin, dass der zuvor unbekannte Mann sich als Vater der Erzählerin entpuppt. Durch diese Offenbarung wirkt der Tod des Vaters noch tragischer. Der Erzählerin war kurzzeitig ein realer Ausweg aus ihren schwierigen Lebensverhältnissen sowie eine Verbesserung ihrer zerrütteten Familienverhältnisse geboten worden. Das Schicksal jedoch ist diesem Ausweg und dieser Verbesserung zuvor gekommen. Die Streuselschnecke kann auf zwei Weisen als Metapher verstanden werden. In der Traumdeutung steht Gebäck für Glück bzw. Gewinn. Womöglich war das Wiederfinden seiner Tochter ein Gewinn für den Vater, oder das einzige Glück seines Lebens. Auch wenn er es zu spät erkannt hat, und nun nicht mehr viel Zeit mit ihr hat, ist er doch glücklich, sie zumindest kennen gelernt zu haben. Gleichzeitig steht das Gebäck symbolisch für das wiedererweckte Verhältnis zwischen Vater und Tochter, das wichtiger ist als. Geld oder alte Streitigkeiten. Im Titel der Kurzgeschichte weist Franck also schon darauf hin, dass man sich darüber im Klaren sein sollte, was einem wirklich wichtig im Leben ist, bevor die Zeit davonläuft. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Julia Franck vor allem durch die Charakterisierung der Erzählerin und die Verhältnisse zu ihren Eltern sowie durch die Erzählhaltung des Mädchens und Stilmittel wie eine Anapher, Zeitraffung und eine Metapher einerseits Missstände in der Gesellschaft veranschaulicht und andererseits betont, wie kurz das Leben ist und dass man die wichtigen Dinge nicht aufschieben sollte. Die Autorin will sicherlich den Lesern die Augen für die Missstände öffnen und sie auf alltägliche Schwierigkeiten aufmerksam machen, denen gerade Jugendliche in der heutigen Gesellschaft ausgesetzt sein können. Zudem will sie aber die Leser davor warnen, sich zu sehr mit sich selbst und mit unwichtigeren Dingen wie Geld und alter Zerrüttung zu beschäftigen. Vielmehr möchte sie die Leserschaft darauf hinweisen, dass man es sich besser zwei Mal überlegen sollte, womit man seine Zeit verbringt. Ansonsten kann der Fall eintreten, dass man es später bereut, manche Dinge versäumt zu haben.