Das bürgerliche Trauerspiel ist eine bedeutende literarische Gattung der Aufklärung, die das Leben des aufstrebenden Bürgertums in den Mittelpunkt stellt.
Die wichtigsten Merkmale des bürgerlichen Trauerspiels sind die Darstellung von Konflikten zwischen bürgerlichen Moralvorstellungen und individuellen Gefühlen. Die Handlung spielt typischerweise im bürgerlichen Milieu und thematisiert oft familiäre Konflikte, verbotene Liebe und moralische Dilemmata. Das Personal besteht hauptsächlich aus bürgerlichen Charakteren, die durch ihre tugendhaften oder lasterhaften Eigenschaften gekennzeichnet sind.
Gotthold Ephraim Lessings "Miss Sara Sampson" gilt als erstes deutsches bürgerliches Trauerspiel und zeigt exemplarisch die typischen Themen der Gattung. Die Handlung dreht sich um die tugendhafte Sara Sampson, die mit ihrem Geliebten Mellefont durchbrennt und damit einen Konflikt zwischen Pflicht und Neigung auslöst. Der Aufbau folgt dem klassischen Dramenschema in fünf Aufzügen. Im Verlauf der Handlung wird Sara das Opfer der intriganten Marwood, ihrer Rivalin, die sie vergiftet. Die Charakterisierung der Hauptfiguren zeigt den Gegensatz zwischen tugendhafter Bürgerlichkeit (Sara, Sir William) und lasterhaftem Adel (Marwood). Besonders die emotionale Tiefe der Figuren und ihre inneren Konflikte machen das Werk zu einem Meilenstein der Epoche. Die moralische Botschaft des Stücks entspricht den Idealen der Aufklärung: Vernunft und Tugend sollen über Leidenschaft und Laster siegen, auch wenn dies tragische Konsequenzen hat.