Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" ist eines der bedeutendsten deutschsprachigen Dramen des 20. Jahrhunderts.
Das 1956 erschienene Werk erzählt die Geschichte der Milliardärin Claire Zachanassian, die in ihre verarmte Heimatstadt Güllen zurückkehrt. Sie macht den Bürgern ein schockierendes Angebot: Sie will der Stadt eine Milliarde schenken, wenn dafür ihr ehemaliger Geliebter Alfred Ill getötet wird. In der Gemeindeversammlung lehnen die Bürger dieses Angebot zunächst moralisch entrüstet ab. Doch im Laufe des Stücks zeigt sich, wie die Menschen durch die Aussicht auf Wohlstand moralisch korrumpiert werden. Besonders deutlich wird dies in der Bürgermeister Rede, in der die ursprüngliche Ablehnung des Angebots in eine vermeintlich gerechte Verurteilung Ills umgedeutet wird.
Die sprachlichen Mittel des Stücks sind geprägt von grotesken Elementen und schwarzem Humor. Dürrenmatt verwendet Ironie und Satire, um die menschliche Gier und moralische Verkommenheit zu entlarven. Wichtige Textstellen finden sich besonders in der Bahnhofsszene, die den Kontrast zwischen Armut und Reichtum verdeutlicht, sowie im dramatischen Höhepunkt des dritten Akts, als die Bürger ihre Entscheidung treffen. Das Drama thematisiert zeitlose Fragen nach Gerechtigkeit, Moral, Schuld und der korrumpierenden Kraft des Geldes. Dürrenmatt, der 1990 in Neuenburg starb, schuf mit diesem Werk eine beißende Kritik an der Nachkriegsgesellschaft und der menschlichen Natur im Allgemeinen. Die Struktur des Dramas folgt dabei klassischen dramaturgischen Prinzipien, wird aber durch groteske Elemente und überraschende Wendungen gebrochen.