Das Augenmotiv spielt eine zentrale Rolle in E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" und durchzieht die gesamte Erzählung als wichtiges Symbol.
Die Augen fungieren in der Geschichte als Verbindung zwischen der realen und der fantastischen Welt. Das Augenmotiv taucht bereits zu Beginn in Nathanaels Kindheitserinnerungen auf, wo der Sandmann droht, den Kindern die Augen zu stehlen. Diese frühe Traumatisierung prägt Nathanaels weiteres Leben und seine Wahrnehmung der Realität grundlegend. Die Augen als Spiegel der Seele zeigen sich besonders in der Beziehung zwischen Nathanael und der Automate Olimpia. Er verliebt sich in ihre leblosen Augen, die paradoxerweise seine eigene gestörte Selbstwahrnehmung widerspiegeln.
In der Romantik symbolisieren die Augen häufig den Zugang zur Seele und zum Übersinnlichen. Diese Bedeutung wird in "Der Sandmann" aufgegriffen und ins Unheimliche verkehrt. Wichtige Textstellen zeigen, wie das Motiv der Augen mit Themen wie Wahnsinn, Realitätsverlust und der Grenze zwischen Mensch und Maschine verknüpft wird. Der Brillenhändler Coppola, der später als Incarnation des Sandmanns erscheint, verkauft "schöne Oke" - künstliche Augen, die das Natürliche durch das Künstliche ersetzen. Diese Vermischung von Realem und Artifiziellem führt letztlich zu Nathanaels tragischem Ende. Das Augenmotiv in der Literatur der Romantik erreicht in Hoffmanns Erzählung einen Höhepunkt, indem es die charakteristische romantische Spannung zwischen Realität und Fantasie, Vernunft und Wahnsinn verkörpert.