Motive und literarische Mittel
Das Motiv der Fotografie spielt eine zentrale Rolle in "Der Verlorene". Arnold hat einen hohen Stellenwert in der Familie – sein Bild steht ganz am Anfang des Familienalbums, noch vor den Hochzeitsfotos der Großeltern. Der Ich-Erzähler hingegen ist nur am Rande zu sehen, nie allein und oft verdeckt. Dies verdeutlicht, dass Arnold zwar physisch abwesend, aber psychisch viel präsenter ist als der anwesende Sohn.
Das Motiv der Haare symbolisiert den Konflikt zwischen Vater und Sohn: Der Ich-Erzähler möchte seine Haare lang tragen, während der Vater sie kurz haben will. Dies kann als Versuch gedeutet werden, sich entweder zu verstecken oder die Vorstellungen des Vaters zu durchbrechen.
Die Gutachten nehmen den größten Teil des Romans ein. Sie zeigen die Unfähigkeit der damaligen Medizin und Spuren des NS-Systems. Der Arzt versucht, anhand von Fußabdrücken oder Kopfumfang auf Verwandtschaft zu schließen – eine Form der Pseudowissenschaft. Trotz der geringen Wahrscheinlichkeit von nur 0,27% hofft die Mutter weiterhin, dass das Findelkind ihr Arnold sein könnte.
Der Fernseher dient als Spiegel für die unterschiedlichen Charaktere: Mutter, Vater, die religiöse Tante Hilde und der Ich-Erzähler reagieren alle anders auf das moderne Medium.
Wichtig für die Interpretation: Die Geschichte des verlorenen Sohnes erinnert an das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn, erhält hier jedoch eine tragische Wendung – der Sohn kehrt nicht zurück, und die Familie bleibt in ihrer Trauer gefangen.
Der Roman zeichnet sich durch eine nüchterne, berichtende und distanzierte Erzählhaltung aus, die gelegentlich durch sarkastische und ironische Töne durchbrochen wird. Der junge Ich-Erzähler ermöglicht eine naive, unverstellte Sicht auf die Details und schafft Identifikationspotential für die Leser.