Analyse von Ulla Hahns Gedicht "Ich bin die Frau"
Ulla Hahns Gedicht "Ich bin die Frau" aus dem Jahr 1983 ist ein bedeutendes Werk der Neuen Subjektivität Literatur. Es bietet einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt einer einsamen, unverheirateten Frau, die sich in der von Männern dominierten Gesellschaft als unbedeutend empfindet.
Die formale Struktur des Gedichts ist bemerkenswert. Es besteht aus fünf Strophen, die jeweils drei Verse umfassen. Wie beschreibt Ulla Hahn die Form und den Inhalt eines Gedichts? Sie verzichtet auf ein festes Metrum und Reime, was dem Gedicht eine natürliche, fast prosaische Qualität verleiht. Jede Strophe beginnt mit der Phrase "Ich bin die Frau", was die Selbstidentifikation und -definition des lyrischen Ichs in den Vordergrund stellt.
Highlight: Die wiederholte Verwendung von "Ich bin die Frau" zu Beginn jeder Strophe verstärkt die Selbstwahrnehmung des lyrischen Ichs und unterstreicht ihre Identitätssuche.
Inhaltlich beschreibt das Gedicht verschiedene Situationen, in denen die Sprecherin sich als Objekt für die Bedürfnisse anderer, insbesondere von Männern, sieht. In den ersten beiden Strophen wird deutlich, dass sie nur dann Aufmerksamkeit erhält, wenn andere gelangweilt sind oder jemand anderes abgesagt hat. Dies unterstreicht ihre Wahrnehmung als "Lückenbüßerin" in sozialen Situationen.
Example: "Ich bin die Frau die man einlädt / wenn das Fernsehen langweilt / wenn jemand abgesagt hat" - Diese Zeilen verdeutlichen die Rolle der Frau als Notlösung für Unterhaltung.
Die folgenden Strophen offenbaren die emotionale Tiefe des lyrischen Ichs. Sie beschreibt, wie bestimmte Fragen oder Situationen, wie Einladungen zu Hochzeiten oder Fragen nach Kinderfotos, negative Gefühle wie Wut, Depression oder Neid auslösen können. Dies zeigt ihre Verletzlichkeit und den Schmerz, den gesellschaftliche Erwartungen und ihre eigene Lebenssituation ihr bereiten.
Quote: "Ich bin die Frau die man lieber nicht fragt / nach einem Foto vom Kind" - Diese Zeile offenbart die Empfindlichkeit der Sprecherin gegenüber Themen wie Ehe und Mutterschaft.
Die letzte Strophe fasst die Selbstwahrnehmung der Sprecherin zusammen. Sie sieht sich als jemanden, der nur für kurzfristige Beziehungen oder als Zeitvertreib genutzt wird, ohne echte emotionale Bindung oder Wertschätzung zu erfahren.
Vocabulary: Neue Subjektivität Gedichte zeichnen sich durch eine starke Betonung persönlicher Erfahrungen und Gefühle aus, was in diesem Gedicht deutlich zum Ausdruck kommt.
Ulla Hahn gelingt es mit diesem Gedicht, ein eindringliches Porträt einer Frau zu zeichnen, die sich nach Liebe und Anerkennung sehnt, aber stattdessen Einsamkeit und Ausgrenzung erfährt. Die abgehackte Struktur des Gedichts, bei der jede Strophe einen neuen Gedanken einführt, spiegelt die fragmentierte Selbstwahrnehmung der Sprecherin wider.
Definition: Die Neue Subjektivität ist eine literarische Strömung der 1970er und 1980er Jahre, die sich durch eine Hinwendung zum Persönlichen und Alltäglichen auszeichnet.
Dieses Gedicht ist ein herausragendes Beispiel für Ulla Hahn Gedichte, die oft persönliche Erfahrungen und gesellschaftskritische Themen miteinander verbinden. Es lädt den Leser dazu ein, über die Rolle der Frau in der Gesellschaft, über Einsamkeit und die Sehnsucht nach echter Verbindung nachzudenken.