Die überforderte Heldin - vom kämpferischen Patriotismus zur existentiellen Krise
Johanna von Orleans durchlebte eine tiefgreifende Entwicklung von der unerschrockenen Kämpferin zur innerlich zerrissenen Heldin. Diese Wandlung zeigt sich besonders in den Szenen mit Montgomery (II, 6-8) und Lionel (III, 9-10).
In der Montgomery-Szene präsentiert sich Johanna noch als unerbittliche Kriegerin:
- Sie weist jegliche weibliche Zuschreibungen zurück.
- Ihre Selbstdefinition basiert auf ihrem göttlichen Auftrag und ihrer Rolle als Feindin der Engländer.
- Sie zeigt keine Gnade gegenüber dem flehenden Montgomery.
Quote: Johanna zu Montgomery: "Du hast mit Teufeln zu tun, nicht mit Menschen!" - Diese Aussage unterstreicht ihre kompromisslose Haltung und ihre Überzeugung, im Namen einer höheren Macht zu handeln.
Johannas Verhalten in dieser Szene wirft Fragen auf:
- Ist ihre Mitleidslosigkeit Ausdruck göttlicher Gerechtigkeit oder übersteigerter Härte?
- Wie vereinbart sich ihr Verhalten mit christlichen Werten der Barmherzigkeit?
Highlight: Die Reaktion des Publikums auf Johannas Unbarmherzigkeit könnte von Befremden bis hin zu Empörung reichen, was die Ambivalenz ihrer Figur unterstreicht.
In der späteren Begegnung mit Lionel zeigt sich eine andere Seite Johannas:
- Sie erlebt zum ersten Mal Gefühle der Zuneigung zu einem Mann.
- Ihr innerer Konflikt zwischen göttlichem Auftrag und menschlichen Empfindungen wird deutlich.
- Die Szene markiert den Beginn ihrer existentiellen Krise.
Vocabulary: Die letzte Worte Jeanne d'Arc sind nicht überliefert, aber ihre inneren Konflikte, wie sie in Schillers Drama dargestellt werden, geben Einblick in ihre möglichen Gedanken und Gefühle am Ende ihres Lebens.
Diese Entwicklung Johannas von der unnahbaren Kriegerin zur verletzlichen Frau zeigt die Komplexität ihrer Persönlichkeit:
- Sie ringt mit den Erwartungen, die an sie gestellt werden.
- Ihr Selbstbild als göttliches Werkzeug gerät ins Wanken.
- Die Grenzen zwischen ihrer Mission und ihren persönlichen Wünschen verschwimmen.
Example: Johannas Zögern, Lionel zu töten, steht im krassen Gegensatz zu ihrem früheren Verhalten gegenüber Montgomery und symbolisiert ihren inneren Wandel.
Die Frage "Warum wurde Johanna von Orleans verbrannt?" lässt sich auch vor dem Hintergrund dieser inneren Konflikte betrachten. Ihre Unfähigkeit, die verschiedenen Aspekte ihrer Persönlichkeit zu vereinen, trug möglicherweise zu ihrem tragischen Schicksal bei.
Schillers Darstellung von Johannas Entwicklung bietet eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Themen Pflicht, Liebe und Selbstfindung. Die Heldin, die anfangs als übermenschlich erschien, wird zunehmend als komplexe, von Zweifeln geplagte Figur gezeigt.
Definition: Die Französische Heilige Frau Johanna von Orleans verkörpert in Schillers Drama den Konflikt zwischen göttlicher Berufung und menschlicher Natur, zwischen Heroismus und Vulnerabilität.
Diese vielschichtige Darstellung macht Johanna zu einer zeitlosen Figur, deren innere Kämpfe auch moderne Zuschauer noch berühren und zum Nachdenken anregen.