Das Drama "Andorra" von Max Frisch ist ein zeitloses Werk über Vorurteile und Identität.
In zwölf Bildern erzählt Frisch die Geschichte des jungen Andri, der als vermeintlich jüdischer Pflegesohn des Lehrers Can in Andorra aufwächst. Die Kernaussage von Andorra dreht sich um die fatalen Auswirkungen von Vorurteilen und Stereotypen auf einen Menschen. Andri wird von den Andorranern aufgrund seiner vermeintlich jüdischen Herkunft diskriminiert und in die Rolle des "Juden" gedrängt, obwohl sich später herausstellt, dass er der leibliche Sohn des Lehrers ist. Die wichtigsten Szenen entwickeln sich von Bild 1 bis Bild 12, wobei besonders Bild 3, Bild 4, Bild 7 und Bild 8 zentrale Wendepunkte darstellen. In diesen Bildern wird Andris zunehmende Isolation und die Verinnerlichung der ihm zugeschriebenen Rolle deutlich.
Das Drama Andorra ist aufgebaut als Stationendrama mit Rahmenhandlung. Die einzelnen Bilder werden von Zeugenaussagen der Andorraner unterbrochen, die rückblickend ihre Rolle bei Andris Schicksal rechtfertigen. Was in Andorra passiert, ist eine tragische Entwicklung: Andri verliebt sich in Barblin, die sich später als seine Halbschwester herausstellt, wird vom Tischler als Lehrling abgelehnt und schließlich von den "Schwarzen" (einer faschistischen Gruppe aus dem Nachbarland) als vermeintlicher Jude ermordet. Das Thema, das der Autor in Andorra behandelt, ist die Entstehung und Wirkung von Vorurteilen, Antisemitismus und die Frage nach authentischer Identität versus aufgezwungener Rollenzuschreibung. Die Andorraner stehen dabei stellvertretend für eine Gesellschaft, die durch ihre Vorurteile und Feigheit Mitschuld an der Tragödie trägt.