Ontogenetische Spracherwerbsmodelle und Kommunikationstheorien
Diese Seite bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene Spracherwerbsmodelle und Kommunikationstheorien, die für das Verständnis von Spracherwerb und Kommunikation von grundlegender Bedeutung sind.
Ontogenetische Spracherwerbsmodelle
Die ontogenetischen Spracherwerbsmodelle befassen sich mit der individuellen Sprachentwicklung, im Gegensatz zur phylogenetischen Sprachentwicklung, die die evolutionäre Entwicklung der Sprache betrachtet.
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Interaktionistisches Modell:
Dieses Modell betont die Bedeutung von Interaktion und wechselseitiger Kommunikation für den Spracherwerb.
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Behavioristisches Modell:
Hier steht die Nachahmung und Konditionierung im Vordergrund. Das Individuum wird als passiv betrachtet, das durch Lob und Strafe lernt.
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Kognitivistisches Modell:
Dieses Modell sieht die Denkfähigkeit als Grundlage des Spracherwerbs. Lernen erfolgt durch das Verstehen von Inhalten.
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Nativistisches Modell:
Vertreter dieses Modells gehen davon aus, dass der Spracherwerb angeboren und genetisch veranlagt ist. Jeder Mensch besitzt demnach eine Universalgrammatik.
Highlight: Das nativistische Modell, vertreten durch Chomsky, postuliert eine angeborene Universalgrammatik als Basis aller Sprachen.
Theorien zum Spracherwerb
Steven Pinker
Pinker vertritt die Ansicht, dass die menschliche Sprachfähigkeit ein Instinkt ist, vergleichbar mit der Webkunst einer Spinne. Er argumentiert, dass sich Sprache ohne bewusste Anstrengung entwickelt und widerspricht damit der traditionellen Meinung, Sprache sei kulturell bedingt.
Quote: "Menschliche Sprachfähigkeit ist ein Instinkt (wie die Webkunst einer Spinne)"
Noam Chomsky
Chomsky entwickelte die Theorie der Universalgrammatik. Er geht davon aus, dass jeder Mensch eine angeborene Fähigkeit zum Spracherwerb besitzt, die es ermöglicht, eine unendliche Anzahl von Sätzen zu bilden, ohne diese vorher gehört zu haben.
Michael Tomasello
Tomasello betont die Rolle der Kooperation und des gemeinsamen Erfahrungshintergrunds bei der Entstehung von Sprache. Er hebt die "geteilte oder kollektive Intentionalität" als wesentlichen Faktor hervor.
Sapir-Whorf-Hypothese
Die Sapir-Whorf-Hypothese untersucht den Zusammenhang zwischen Sprache, Wirklichkeit und Denken. Sie postuliert, dass die Sprache das Denken und die Wahrnehmung der Wirklichkeit beeinflusst.
Definition: Die Sapir-Whorf-Hypothese besagt, dass die Struktur einer Sprache die Denkweise ihrer Sprecher beeinflusst oder sogar bestimmt.
Zwei Hauptaspekte der Hypothese sind:
- Sprachlicher Determinismus: Die Idee, dass Denken und Weltansicht durch Sprache vorbestimmt sind.
- Linguistisches Relativitätsprinzip: Die Vorstellung, dass das Denken von der jeweiligen Sprache abhängig ist.
Highlight: Die moderne Auffassung der Sapir-Whorf-Hypothese erkennt zwar den Einfluss der Sprache auf das Denken an, geht aber nicht von einer vollständigen Determination aus.
Kommunikationsmodelle
Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun
Dieses Modell geht davon aus, dass jede Nachricht vier Aspekte enthält:
- Sachebene: Die reine Information
- Beziehungsebene: Was der Sender vom Empfänger hält
- Appellebene: Was der Sender vom Empfänger möchte
- Selbstoffenbarung: Was der Sender über sich selbst preisgibt
Fünf Axiome von Paul Watzlawick
Watzlawick formulierte fünf grundlegende Axiome der Kommunikation:
- Man kann nicht nicht kommunizieren
- Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt
- Jede Mitteilung ist zugleich Reaktion und Reiz
- Kommunikation erfolgt sowohl digital als auch analog
- Kommunikation kann symmetrisch und komplementär verlaufen
Example: Ein Beispiel für Watzlawicks erstes Axiom "Man kann nicht nicht kommunizieren" wäre, dass selbst Schweigen in einer Situation eine Form der Kommunikation darstellt.
Medientheorien
Verschiedene Theoretiker haben sich mit der Rolle und dem Einfluss von Medien in der Gesellschaft auseinandergesetzt:
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Niklas Luhmann: Betont den prägenden Einfluss der Massenmedien auf Denkweisen und Vorstellungen.
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Michael Bechtel: Sieht Massenmedien als "6. Sinnesorgan" und betont die Notwendigkeit von Medienkompetenzen.
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Neil Postman: Kritisiert den Verlust von Denkprozessen durch vorgefertigte Meinungen in Medien.
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Manfred Schneider: Diskutiert den Vertrauensverlust in traditionelle Medien zugunsten sozialer Netzwerke.
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Thomas Metzinger: Warnt vor dem Verlust willentlicher Aufmerksamkeitslenkung durch das Internet.
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Steven Pinker: Argumentiert für die Existenz zeitloser Konstanten des menschlichen Denkens trotz technologischer Veränderungen.
Vocabulary: Ontogenese bezieht sich auf die individuelle Entwicklung eines Organismus, während Phylogenese die stammesgeschichtliche Entwicklung einer Art oder höheren taxonomischen Einheit beschreibt.
Diese Theorien und Modelle bieten wichtige Einblicke in die Komplexität von Spracherwerb, Kommunikation und Medieneinfluss und sind grundlegend für das Verständnis menschlicher Interaktion und gesellschaftlicher Prozesse.