Stufen des Spracherwerbs und Theorien der Sprachentwicklung
Der Spracherwerb bei Kindern folgt einem charakteristischen Verlauf, der in mehrere Phasen unterteilt werden kann. Diese Phasen der Sprachentwicklung beginnen bereits im Säuglingsalter und setzen sich bis ins Schulalter fort.
Die zweite Lallphase tritt zwischen dem 6. und 9. Lebensmonat auf. In dieser Phase produzieren Kinder Silbenketten wie "dada" oder "gaga". Dies ist ein wichtiger Schritt in der Lautbildung bei Kindern.
Zwischen dem 9. und 25. Lebensmonat beginnen Kinder, ihre ersten Wörter zu sprechen. Diese umfassen hauptsächlich Nomen und kleine Wörter wie "Mama". Auch Lautreihen mit Bedeutung, wie "wauwan" für Hund, treten auf. In dieser Phase kommt es häufig zur Übergeneralisierung oder Überspezifizierung von Begriffen.
Beispiel: Ein Kind könnte alle vierbeinigen Tiere als "Hund" bezeichnen (Übergeneralisierung) oder nur den eigenen Hund als "Hund" erkennen (Überspezifizierung).
Zwischen dem 18. und 25. Lebensmonat erleben Kinder eine sogenannte Wortschatzexplosion. Sie beginnen, Verben und Adjektive zu verwenden, Verben zu beugen und den Plural zu bilden. Auch längere Sätze werden nun gebildet.
Highlight: Die Sprachentwicklung bei Kindern im Alter von 2 Jahren ist durch einen rapiden Anstieg des Wortschatzes und erste komplexere Satzstrukturen gekennzeichnet.
Mit etwa 4 Jahren beherrschen Kinder die grundlegenden grammatischen Regeln ihrer Muttersprache. In den folgenden Jahren erweitern sie kontinuierlich ihren Wortschatz.
Definition: Die Meilensteine der Sprachentwicklung von 0-6 Jahren umfassen die Lallphase, erste Wörter, Wortschatzexplosion und die Beherrschung grundlegender Grammatik.
In der Sprachwissenschaft gibt es verschiedene Theorien zum Spracherwerb. Die aktuell diskutierten Ansätze bewegen sich zwischen Nativismus und Konstruktivismus.
Der Nativismus Spracherwerb, vertreten von Noam Chomsky, geht davon aus, dass Kinder mit einer angeborenen Fähigkeit zum Spracherwerb auf die Welt kommen. Chomsky postuliert eine Art "Sprachorgan" und eine Universalgrammatik, deren sprachspezifische Parameter gefüllt werden, wenn das Kind mit einer bestimmten Sprache in Kontakt kommt.
Zitat: "Das Kind komme mit einer Art Organ für die Sprache auf die Welt, einer Universalgrammatik, die sprachspezifischen 'Parameter' werden gefüllt, wenn das Kind auf eine spezifische Sprache stößt." - Noam Chomsky
Der Konstruktivismus Spracherwerb hingegen betrachtet den Spracherwerb als Zusammenspiel aus genetischer Anlage und Interaktion mit der Umwelt. Kinder konstruieren demnach grammatische Strukturen unter Einsatz ihrer allgemeinen Lernfähigkeiten aus der von ihnen gehörten Sprache.
Vokabular: Konstruktivismus Spracherwerb Vertreter gehen davon aus, dass Kinder aktiv am Prozess des Spracherwerbs beteiligt sind und Sprachstrukturen aus ihrer Umgebung ableiten und konstruieren.
Historische Vorläufer dieser Theorien sind der Behaviorismus, das kognitivistische Erklärungsmodell und das interaktionistische Erklärungsmodell.
Der Behaviorismus Spracherwerb, vertreten u.a. von Burrhus Skinner in den 1950er Jahren, nahm an, dass Menschen Sprache durch typische Lernprozesse erwerben, wobei spontane Äußerungen belohnt werden. Diese Theorie wird heute nicht mehr vertreten.
Kritik: Der Behaviorismus Spracherwerb Kritik bemängelt, dass dieser Ansatz die Komplexität des Spracherwerbs unterschätzt und die kreative Komponente der Sprachproduktion nicht erklären kann.
Das kognitivistische Erklärungsmodell, vertreten u.a. von Jean Piaget, geht davon aus, dass die Entwicklung kognitiver Strukturen zu Entwicklungsphasen des Spracherwerbs führt.
Vokabular: Die Phasen der Sprachentwicklung nach Piaget sind eng mit der allgemeinen kognitiven Entwicklung des Kindes verknüpft.
Das interaktionistische Erklärungsmodell, vertreten u.a. von Lew Wygotski, nimmt an, dass sich Bezugspersonen auf das Entwicklungsniveau des Kindes einstellen und es dadurch anregen, sich zur nächsten Entwicklungszone zu bewegen.
Kritik: Die Interaktionismus Spracherwerb Kritik bemängelt, dass dieser Ansatz möglicherweise die Rolle angeborener Sprachfähigkeiten unterschätzt.
Ein wichtiger Aspekt in der Sprachentwicklung ist die Unterscheidung zwischen Phylogenese und Ontogenese. Die Phylogenese bezieht sich auf den stammesgeschichtlichen Ursprung der Sprache im Menschengeschlecht, während die Ontogenese den Spracherwerb des individuellen Kindes beschreibt.
Definition: Phylogenetisch ontogenetisch Sprache beschreibt den Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Sprache in der Menschheitsgeschichte und dem individuellen Spracherwerb.
Abschließend wird das Thema Bilingualität (Zweisprachigkeit) behandelt. Es wird zwischen früher Bilingualität (von früher Kindheit an zweisprachig) und später Bilingualität (Erwerb der Zweitsprache ab dem Schulalter) unterschieden. Zudem gibt es die Unterscheidung zwischen dominanter Bilingualität (eine Sprache wird besser beherrscht) und balancierter Bilingualität (beide Sprachen werden nahezu perfekt gesprochen).
Highlight: Die Forschung zur Bilingualität zeigt, dass zweisprachig aufwachsende Kinder oft kognitive Vorteile entwickeln und flexibler im Denken sind.