Aristoteles' Konzepte der Gerechtigkeit
Aristoteles, einer der einflussreichsten Philosophen der Antike, unterschied zwei grundlegende Arten der Gerechtigkeit: die austeilende Gerechtigkeit und die ausgleichende Gerechtigkeit. Diese beiden Konzepte folgen unterschiedlichen Prinzipien und finden in verschiedenen Situationen Anwendung.
Austeilende Gerechtigkeit
Die austeilende Gerechtigkeit, auch als distributive Gerechtigkeit bekannt, basiert auf dem Prinzip der Würdigkeit und der relativen Gleichheit.
Definition: Austeilende Gerechtigkeit ist eine Form der Gerechtigkeit, bei der Güter oder Ressourcen basierend auf der Würdigkeit oder den Bedürfnissen der Empfänger verteilt werden.
Bei dieser Form der Gerechtigkeit werden bestimmte Kriterien herangezogen, um die Würdigkeit zu bestimmen. Dazu gehören:
- Fähigkeiten
- Vermögen
- Bedürftigkeit
Beispiel: Ein anschauliches Beispiel für austeilende Gerechtigkeit ist die Verteilung von drei Brötchen an drei Personen mit unterschiedlichem Hungergefühl. Person A hat wenig Hunger, Person B mittelmäßigen Hunger und Person C großen Hunger. Nach dem Prinzip der austeilenden Gerechtigkeit würde Person A ein halbes Brötchen, Person B ein ganzes Brötchen und Person C eineinhalb Brötchen erhalten. So wird sichergestellt, dass alle satt werden, indem die Verteilung an den individuellen Bedürfnissen ausgerichtet wird.
Ausgleichende Gerechtigkeit
Im Gegensatz dazu steht die ausgleichende Gerechtigkeit, auch als kommutative Gerechtigkeit bezeichnet. Sie basiert auf dem Prinzip des Austauschs gleicher Verhältnisse und der numerischen Gleichheit.
Definition: Ausgleichende Gerechtigkeit ist eine Form der Gerechtigkeit, bei der ein gleichwertiger Austausch stattfindet oder alle Beteiligten gleich behandelt werden, unabhängig von individuellen Umständen.
Kernprinzipien der ausgleichenden Gerechtigkeit sind:
- 1:1 Austausch
- Wer etwas gibt, erhält etwas von gleichem Wert zurück
- Alle werden gleich behandelt
Beispiel: Bei der Verteilung der drei Brötchen nach dem Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit würde jede Person, unabhängig von ihrem Hungergefühl, ein ganzes Brötchen erhalten. Dies entspricht einer numerischen Gleichheit, bei der alle gleich behandelt werden.
Zusammenfassung der Unterschiede
Um die Konzepte der austeilenden und ausgleichenden Gerechtigkeit einfach erklärt zusammenzufassen:
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Austeilende Gerechtigkeit:
- Basiert auf Würdigkeit
- Berücksichtigt individuelle Faktoren wie Vermögen, Bedürftigkeit, Leistung, Schuld und Fähigkeiten
- Führt zu relativer Gleichheit
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Ausgleichende Gerechtigkeit:
- Basiert auf Leistung und Gegenleistung
- Strebt nach Austausch gleicher Verhältnisse
- Führt zu numerischer Gleichheit
- Macht keine Unterschiede zwischen Individuen
Highlight: Die ausgleichende Gerechtigkeit findet besonders Anwendung in Bereichen wie Tausch-, Wiedergutmachungs- und Strafgerechtigkeit.
Diese Konzepte von Aristoteles bilden bis heute die Grundlage für viele ethische und rechtliche Überlegungen zur Gerechtigkeit. Sie zeigen, dass Gerechtigkeit als Tugend nicht immer einfach zu definieren ist und je nach Situation unterschiedliche Ansätze erfordern kann.