Die Entstrukturierungsthese: Ursachen, Definition und Folgen
Die Auflösungsthese, auch bekannt als Entstrukturierungsthese, beschreibt einen grundlegenden Wandel in der Gesellschaftsstruktur seit den 1960er Jahren. Hauptvertreter dieser These sind Ulrich Beck mit seiner "Risikogesellschaft" (1986) und Gerhard Schulze mit der "Erlebnisgesellschaft" (1992).
Definition: Die Entstrukturierung der Gesellschaft bezeichnet die Auflösung traditioneller Schichten und Milieus zugunsten individualisierter Lebensformen.
Als Ursachen für diesen Prozess werden genannt:
- Gestiegener Wohlstand
- Mehr Freizeit
- Erhöhter Bildungsgrad
- Gesteigerte Mobilität
- Digitalisierung als Motor der Entstrukturierung
Beispiel: Die Digitalisierung ermöglicht durch das Internet einen breiteren Zugang zu Bildung und sozialer Teilhabe, unabhängig von der sozialen Herkunft.
Beck's Individualisierungsthese betont, dass Menschen seit den 1960er Jahren eigenständiger und unabhängiger handeln müssen. Familie, Religion und Berufsstand bieten keine strikten "Leitplanken" mehr. Er beschreibt drei Dimensionen der Individualisierung:
- Freisetzungsdimension: Vielfältige Freiheiten
- Entzauberungsdimension: Traditionelle Glaubensvorstellungen und Normen verlieren an Bedeutung
- Reintegrations-/Kontrolldimension: Einbindung in staatliche Institutionen als neuer Handlungsrahmen
Highlight: Beck spricht von einer "Demokratisierung" der Risiken, da alle Schichten gleichermaßen von Massenarbeitslosigkeit, Umweltgefährdung und atomarer Bedrohung betroffen sind.
Schulze argumentiert, dass die Bildungsexpansion, steigender Wohlstand und Massenkonsum, begünstigt durch den Sozialstaat, es unteren Schichten ermöglichen, an Privilegien der Mittel- und Oberschicht teilzuhaben. Dies führt zum sogenannten "Fahrstuhleffekt".
Vocabulary: Der Fahrstuhleffekt beschreibt die kollektive Anhebung des Lebensstandards über alle Gesellschaftsschichten hinweg.
Folgen der Entstrukturierung sind:
- Auflösung schichttypischer Milieus
- Differenziertere und vielfältigere Lebensbedingungen und soziale Lagen
- Verlust der Unterscheidungskraft von Statussymbolen
- Verstärkter sozialer Verteilungskampf um Status und Anerkennung statt materieller Güter
- Zunehmende soziale Mobilität, die die Herausbildung schichttypischer Milieus verhindert
Quote: "Klassische Schicht- und Klassenmodelle haben Aussagekraft für heutige Gesellschaftsstruktur verloren, da 'neue' soziale Ungleichheiten die Gesellschaft prägen."
Diese neuen Ungleichheiten betreffen Bereiche wie Wohnungs- und Infrastrukturversorgung, Altersabsicherung, Familienformen und Freizeit. Die Digitalisierung spielt hierbei eine zentrale Rolle, indem sie einerseits neue Möglichkeiten eröffnet, andererseits aber auch neue Formen der Ungleichheit schafft.