Bismarcks Bündnissystem und die Außenpolitik des Deutschen Kaiserreichs
Das Bündnissystem vor 1890 unter Bismarck und die spätere Außenpolitik unter Wilhelm II. zeigen einen deutlichen Kontrast in der deutschen Diplomatie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Bismarcks Bündnissystem war komplex und auf Friedenssicherung ausgerichtet. Es umfasste mehrere wichtige Abkommen:
- 1873: Dreikaiserbund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland
- 1879: Zweibund zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn
- 1882: Dreibund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien
- 1887: Rückversicherungsvertrag mit Russland
Highlight: Bismarcks Hauptziel war die Isolierung Frankreichs und die Verhinderung eines Zweifrontenkrieges.
Die Außenpolitik Bismarcks war charakterisiert durch:
- Bewahrung der bestehenden Machtverhältnisse
- Geschickte Bündnispolitik zur Verhinderung einer "Einkreisung" Deutschlands
- Vorrangiges Ziel der Friedenssicherung durch defensive Außenpolitik
Definition: Unter "Einkreisung" verstand man die diplomatische Isolation Deutschlands durch feindliche Bündnisse.
Mit dem Regierungsantritt Wilhelm II. kam es zu einer außenpolitischen Wende. Die Außenpolitik Wilhelm II. war gekennzeichnet durch:
- Streben nach Weltgeltung und einem "Platz an der Sonne"
- Aktive Kolonialpolitik in Afrika
- Betreiben einer Weltmachtpolitik
Vocabulary: "Platz an der Sonne" war ein Schlagwort für Deutschlands Anspruch auf Kolonien und Weltgeltung.
Wichtige Aspekte der wilhelminischen Außenpolitik waren:
- Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrags mit Russland
- Einführung von Flottengesetzen und eines Flottenbauprogramms
- Verschlechterung der Beziehungen zu Großbritannien
Diese Politik führte zur Bildung neuer Bündnisse:
- 1894: Französisch-russisches Bündnis
- 1904: "Entente cordiale" zwischen Frankreich und Großbritannien
- 1907: Erweiterung zur "Triple Entente" mit Russland
Example: Die Flottenpolitik Wilhelm II. führte zum Wettrüsten mit England, was die Spannungen vor dem Ersten Weltkrieg verschärfte.
Das Resultat war eine zunehmende Isolation des Deutschen Reiches, oft als "Einkreisung" bezeichnet. Deutschland hatte am Ende nur noch das Bündnis mit Österreich-Ungarn, während die anderen europäischen Großmächte sich zunehmend bedroht fühlten.
Quote: "Bündnisse werden nicht mehr auf Friedens-, sondern auf Kriegsmöglichkeit hin beurteilt" - Diese Aussage verdeutlicht den Wandel in der Bündnispolitik unter Wilhelm II.
Die Interessenkonflikte zwischen Österreich-Ungarn und Russland auf dem Balkan verschärften zusätzlich die Spannungen in Europa und trugen zur Eskalation bei, die schließlich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte.