Die Gründung des Deutschen Reiches 1871 markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der deutschen Geschichte.
Die Zeit vor der Reichsgründung 1871 war geprägt von verschiedenen deutschen Einzelstaaten unter der Führung Preußens. Otto von Bismarck spielte als preußischer Ministerpräsident eine zentrale Rolle bei der Einigung Deutschlands. Durch geschickte Außenpolitik und drei erfolgreiche Einigungskriege (gegen Dänemark 1864, Österreich 1866 und Frankreich 1870/71) schaffte er die Voraussetzungen für die Reichsgründung. Die Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 in Versailles krönte diesen Prozess, als Wilhelm I. zum deutschen Kaiser ausgerufen wurde.
Die neue Reichsverfassung 1871 etablierte einen föderalen Bundesstaat mit dem preußischen König als deutschem Kaiser an der Spitze. Bismarcks Innenpolitik war geprägt vom "Zuckerbrot und Peitsche"-Prinzip - einerseits führte er fortschrittliche Sozialgesetze ein, andererseits bekämpfte er politische Gegner mit repressiven Maßnahmen. Seine Außenpolitik nach 1871 zielte auf die Sicherung des Friedens durch ein komplexes Bündnissystem. Nach Bismarcks Entlassung 1890 verfolgte Wilhelm II. eine aggressive Außenpolitik, die auf Weltmachtstreben und koloniale Expansion ausgerichtet war. Der Unterschied zwischen Bismarcks Außenpolitik und der Außenpolitik Wilhelm II. lag vor allem in der Aufgabe der zurückhaltenden Bündnispolitik zugunsten einer risikoreicheren Machtpolitik, die letztlich zum Ersten Weltkrieg beitrug.