Historische Bewertungen der Reichsverfassung
Die dritte Seite präsentiert die Ansichten zweier Historiker zur Verfassung von 1871. Nipperdey bietet eine ausgewogene Beurteilung und hebt sowohl positive als auch negative Aspekte hervor. Er betont, dass die Monarchie konstitutionell war und an das Parlament gebunden war.
Highlight: Nipperdey sieht die Beteiligung des Reichstags an der Gesetzgebung als positiv, kritisiert aber seinen mangelnden Einfluss auf die Regierungsbildung.
Nipperdey erwähnt auch das Kontrollrecht und Budgetrecht des Reichstags als positive Elemente. Er erkennt jedoch an, dass der Reichstag Gesetze nicht alleine beschließen konnte und rechtsstaatliche Prinzipien nur teilweise verwirklicht waren.
Quote: "Reichstag war an der Gesetzgebung beteiligt"
Im Gegensatz dazu bewertet Wehler die Verfassung von 1871 deutlich negativer. Er betont die Dominanz des preußischen Königs/Kaisers, der zwei Drittel der Macht kontrollierte.
Vocabulary: Hegemonialstaat - Ein Staat, der andere Staaten politisch, wirtschaftlich oder militärisch dominiert.
Wehler argumentiert, dass der Kaiser als Reichsmonarch den Verwaltungsapparat, das Militär und die Außenpolitik kontrollierte. Er bezeichnet die Verfassung als "automatischen, halbabsolutistischen Scheinkonstitutionalismus" und betont, dass sich die grundlegenden Machtverhältnisse nicht verändert hätten.
Definition: Scheinkonstitutionalismus - Eine Regierungsform, die formal konstitutionell ist, in der aber der Monarch de facto absolute Macht behält.