Deutschlands Weg zum Imperialismus
Das Deutsche Reich war bis zum Beginn der 1880er Jahre keine Kolonialmacht, da es erst 1871 als Nationalstaat gegründet wurde. Reichskanzler Otto von Bismarck stand dem Erwerb von Kolonien zunächst skeptisch gegenüber, da er Konflikte mit anderen europäischen Mächten fürchtete.
Jedoch drängten neue Eliten darauf, der "zu spät gekommenen Nation" auch einen "Platz an der Sonne" zu verschaffen. Nach der Gründung des "Deutschen Kolonialvereins" 1882 und der Etablierung deutscher Handelsniederlassungen in Afrika sah sich Bismarck gezwungen, seine Politik zu ändern.
Der Erwerb von Kolonien erfolgte zunächst durch deutsche Kaufleute, Kolonialgesellschaften und -vereine. Später wurden die Gebiete unter "deutschen Schutz" gestellt, was de facto einer Annexion gleichkam.
Wichtige Daten der deutschen Kolonialpolitik:
- 1884/1885: Erwerb der ersten deutschen Kolonien in Afrika (Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika) und im Pazifik (Teile Neuguineas)
- 1885: Deutsch-Ostafrika wird deutsche Kolonie
- 1898: Deutschland erwirbt Kiautschou in China als Pachtgebiet
- 1899: Deutschland kauft die Karolinen, Marianen und Palau-Inseln von Spanien
Highlight: Das deutsche Kolonialreich war im Vergleich zu dem Großbritanniens oder Frankreichs relativ klein, umfasste aber dennoch Gebiete, die etwa fünfmal so groß waren wie das Deutsche Reich selbst.
Die deutsche Kolonialpolitik war von Anfang an umstritten. Während Befürworter auf wirtschaftliche Vorteile und nationales Prestige hofften, sahen Kritiker die hohen Kosten und die moralischen Probleme der Kolonialherrschaft.
Quote: Kaiser Wilhelm II. erklärte 1897: "Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne." Diese Aussage wurde zum Schlagwort des deutschen Imperialismus.
Die deutsche Kolonialpolitik führte zu Konflikten mit den einheimischen Bevölkerungen, insbesondere in Deutsch-Südwestafrika, wo der Aufstand der Herero und Nama 1904-1908 brutal niedergeschlagen wurde. Dies gilt heute als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts.