Heitmeyers sozialpsychologischer Desintegrationsansatz
Der sozialpsychologische Desintegrationsansatz von Wilhelm Heitmeyer bietet eine tiefgreifende Erklärung für die Entstehung von Gewalt, insbesondere bei Jugendlichen. Diese Heitmeyer Theorie sieht gewalttätiges und aggressives Verhalten als direkte Folge von Desintegrationserfahrungen und Perspektivlosigkeit.
Heitmeyer argumentiert, dass die zunehmende Individualisierung in unserer Gesellschaft zwar viele Vorteile mit sich bringt, wie etwa größere Entscheidungsfreiheiten, aber gleichzeitig auch Entscheidungszwänge und Ambivalenzen erzeugt. Dies führt zu dem, was Heitmeyer als Desintegration bezeichnet.
Highlight: Heitmeyer betont, dass viele Jugendliche unter mangelnder gesellschaftlicher Integration leiden, kaum Anschluss finden und wenig Unterstützung erhalten.
Die Desintegration Heitmeyer manifestiert sich auf vier Ebenen, die als Desintegrationspotentiale bezeichnet werden:
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Familie: Familienstrukturen sind fragiler geworden, wobei selbst intakte Familien emotionale Desintegrationspotentiale aufweisen können.
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Institutionen und soziale Gemeinschaften: Die Teilhabe an Kirchen, Vereinen, Parteien etc. ist stark zurückgegangen.
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Gesellschaftliche Werte: Es gibt kaum noch allgemein verbindliche Normen und Werte, stattdessen herrscht ein Wertepluralismus vor.
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Sozialstruktur und soziale Ungleichheit: Menschen mit schlechten Bildungsqualifikationen, aus Randgruppen, in Armut oder Arbeitslosigkeit haben nur geringe Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe.
Definition: Wertepluralismus bezeichnet die gleichzeitige Existenz verschiedener, gleichermaßen gültiger Wertorientierungen in einer Gesellschaft.
Diese Desintegrationsfaktoren führen laut Heitmeyer zu Verunsicherungen, die wiederum Gewalt als Bewältigungsstrategie hervorrufen können.
Vocabulary: Desintegrationspotentiale sind Bereiche oder Faktoren, die zur sozialen Isolierung und mangelnden Integration von Individuen in die Gesellschaft beitragen können.