Die Bedeutung des Vorlesens als zentrales Motiv
Das Vorlesen ist nicht nur titelgebend für Schlinks Roman, sondern fungiert als zentrales Motiv mit mehreren Bedeutungsebenen. In der Beziehung zwischen Hanna und Michael dient es zunächst als verbindendes Ritual, später als einzige Kommunikationsform, die trotz räumlicher und emotionaler Distanz Bestand hat.
Für die analphabetische Hanna ist das Vorlesen der einzige Zugang zur Bildung und Literatur. Ihre "erstaunlich genauen" Kommentare zu den vorgelesenen Texten zeigen ihr tiefes Interesse und ihre Fähigkeit, Literatur zu verstehen, obwohl sie selbst nicht lesen kann. Als sie im Gefängnis endlich lesen lernt, verändert sich ihre Persönlichkeit - sie gewinnt an Selbstständigkeit und entwickelt ein Bewusstsein für ihre Taten.
Für Michael ist das Vorlesen auf Kassetten "seine Art, zu ihr, mit ihr zu sprechen". Es erlaubt ihm, die Verbindung zu Hanna aufrechtzuerhalten, ohne sich vollständig auf eine Beziehung einlassen zu müssen. Das Vorlesen wird zum Symbol einer ambivalenten Beziehung, die von Liebe und Schuld gleichermaßen geprägt ist.
Prüfungsrelevant: Das Motiv des Vorlesens entwickelt sich im Roman vom sinnlichen Ritual zum Bildungsinstrument und schließlich zum Mittel der indirekten Kommunikation. Es spiegelt die Entwicklung der Beziehung zwischen Hanna und Michael wider und verdeutlicht die komplexe Verstrickung von persönlicher und historischer Schuld.
Die Analyse wichtiger Textstellen zum Vorlesen ist für die Interpretation des Romans unerlässlich, da sie Einblicke in die Charakterentwicklung und die thematische Tiefe des Werkes bietet.