Charaktere und Deutungsansätze in Faust
Faust verkörpert den ruhelosen Forscher, dessen Streben nach Erkenntnis in Frustration mündet. Seine innere Zerrissenheit ("Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust") zeigt den Konflikt zwischen geistigem Streben und sinnlichen Begierden. Seine Hybris und Selbstüberschätzung führen zu tragischen Konsequenzen für andere, besonders für Gretchen.
Gretchen steht für Unschuld und Reinheit. Die 14-jährige aus kleinbürgerlichen Verhältnissen ist religiös und wohlerzogen. Ihre Liebe zu Faust bringt sie in Konflikt mit gesellschaftlichen Moralvorstellungen. Trotz ihrer Schuld wird sie am Ende erlöst, da sie Reue zeigt und sich Gottes Urteil stellt.
Mephisto ist eine komplexe Teufelsfigur, die sich selbst als "Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" beschreibt. Er ist Gott untergeordnet und fungiert als Instrument im göttlichen Plan. Sein Ziel ist es, Faust zu verführen, doch er versteht dessen metaphysisches Streben nicht.
Zentrale Deutungsansätze:
Philosophisch: Das Werk reflektiert den Prozess menschlicher Entwicklung durch Irrtum und Streben. Es hinterfragt den aufklärerischen Fortschrittsglauben und zeigt die Ambivalenz menschlicher Existenz.
Anthropologisch: Faust repräsentiert das Menschengeschlecht in seiner Widersprüchlichkeit zwischen Geist und Körper, zwischen innerer Unendlichkeit und äußerer Begrenztheit.
Soziologisch: Die Gretchentragödie entlarvt die Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft und zeigt, wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen natürliche Triebe zu Quellen tragischen Leidens machen können.
Wichtig für die Klausur: Kenne die zentralen Zitate wie "Es irrt der Mensch, so lang er strebt" oder "Das ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält" - sie sind wichtige Textstellen für das Abitur.