Der Sandmann: Psychoanalytische Interpretation nach Freud
Die psychoanalytische Deutung von E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" offenbart die tiefenpsychologische Komplexität des Protagonisten Nathanael. Seine schizophrene Psychose manifestiert sich in verschiedenen charakteristischen Symptomen, die das gesamte Werk durchziehen. Der Verfolgungswahn gegenüber den Figuren Coppelius und Coppola steht dabei im Zentrum seiner Wahnvorstellungen, die sich zu einem umfassenden Realitätsverlust entwickeln.
Definition: Die drei psychischen Instanzen nach Freud - ES, ICH und ÜBER-ICH - bilden die Grundlage für das Verständnis von Nathanaels psychischer Zerrüttung. Das ES repräsentiert die unbewussten Triebe, das ÜBER-ICH die moralischen Normen und das ICH vermittelt zwischen beiden Instanzen.
Nathanaels psychische Struktur zeigt eine deutliche Dominanz des ES, während sein ÜBER-ICH nur schwach ausgeprägt ist und lediglich durch äußere Einflüsse, wie etwa Clara, aktiviert wird. Diese Disbalance führt zu seiner narzisstischen Fixierung auf die Puppe Olimpia, die als Projektionsfläche seiner eigenen Persönlichkeit fungiert. Seine Begeisterung für Olimpia entspringt dabei weniger einer echten Zuneigung als vielmehr der narzisstischen Selbstspiegelung.
Das traumatische Kindheitserlebnis mit dem Sandmann und den Alchemisten-Experimenten bildet den Ausgangspunkt seiner psychischen Störung. Nach Freuds Theorie könnte eine Heilung nur durch Bewusstmachung und Aufarbeitung des Traumas erfolgen. Nathanaels künstlerische Ausdrucksversuche in Form von Gedichten können als gescheiterte Selbsttherapie verstanden werden, da sie letztlich zur weiteren Verstärkung seiner Wahnvorstellungen führen.