Szenenanalyse der Gemeindeversammlung im 3. Akt
Die Szenenanalyse der Gemeindeversammlung im dritten Akt von "Der Besuch der alten Dame" offenbart die dramatische Entscheidungsfindung der Güllener Bürger. Der Bürgermeister leitet die Versammlung mit einer ausgeklügelten rhetorischen Strategie, die stark von religiöser Symbolik geprägt ist.
Highlight: Die Szene ist strukturell wie ein kirchliches Ritual aufgebaut, mit dem Bürgermeister in der Rolle des Priesters und der Gemeinde als respondierender Chor.
Quote: "Mein Gott!" - Ills erschütternder Ausruf am Ende der Szene zeigt seine Erkenntnis über sein besiegeltes Schicksal.
Vocabulary: "Litanei" - Eine sich wiederholende, gleichförmige Gebetsform, die hier als dramaturgisches Mittel eingesetzt wird.
Example: Die religiöse Sprache zeigt sich in Begriffen wie "Gewissensnot", "heiligste Güter" und "reinen Herzens", die der Bürgermeister strategisch einsetzt.
Definition: Die "Stiftung Claire Zachanassians" ist der euphemistische Begriff für das Mordangebot - eine Milliarde für Ills Tod.
Die dramaturgische Bedeutung dieser Szene liegt in ihrer Funktion als Wendepunkt: Die Gemeinde legitimiert durch ihre Abstimmung den bevorstehenden Mord an Ill, wodurch die moralische Verderbnis der Gesellschaft ihren Höhepunkt erreicht. Der anwesende Radioreporter fungiert als ahnungsloser Außenbeobachter, der die wahre Bedeutung der Abstimmung nicht erkennt und damit die Scheinheiligkeit der Inszenierung unterstreicht.