Gotthold Ephraim Lessings Drama "Nathan der Weise" ist ein zeitloses Meisterwerk der deutschen Aufklärung, das die Themen religiöse Toleranz und Humanität in den Mittelpunkt stellt.
Das Stück spielt zur Zeit der Kreuzzüge in Jerusalem und dreht sich um den jüdischen Kaufmann Nathan, der für seine Weisheit bekannt ist. Nach seiner Rückkehr von einer Geschäftsreise erfährt er, dass seine Adoptivtochter Recha von einem christlichen Tempelherrn aus einem Brand gerettet wurde. Dieser Tempelherr wurde zuvor vom muslimischen Sultan Saladin vor dem Tod bewahrt. Im Verlauf der Handlung entwickelt sich ein komplexes Beziehungsgeflecht zwischen den Hauptfiguren, das in der berühmten Ringparabel gipfelt - einer Geschichte, die Nathan dem Sultan erzählt, um die Gleichwertigkeit der drei monotheistischen Religionen zu verdeutlichen.
Die Figurenkonstellation offenbart am Ende überraschende verwandtschaftliche Verbindungen: Recha und der Tempelherr sind Geschwister und die Kinder von Saladins verstorbenem Bruder Assad. Diese Enthüllung unterstreicht Lessings zentrale Botschaft von der natürlichen Verwandtschaft aller Menschen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Das Drama ist in fünf Aufzüge gegliedert und verwendet den Blankvers als Versmaß. Besonders bedeutsam sind die wichtigen Textstellen wie die Ringparabel im dritten Aufzug und die Gespräche zwischen Nathan und dem Tempelherrn, die die aufklärerischen Ideale von Vernunft, Toleranz und Humanität verdeutlichen. Die Charakterisierung der Hauptfiguren zeigt ihre Entwicklung von anfänglichen Vorurteilen hin zu gegenseitigem Verständnis und Respekt. Nathans Weisheit und Menschlichkeit werden dabei zum Vorbild für alle anderen Figuren.