Figurenkonstellation und Charakterisierung
Die Figurenkonstellation in dieser Szene zeigt klare Machtverhältnisse. Kreon, als neuer König von Theben, befiehlt den Wächtern und nennt sie sogar "Idioten" (V.21), was seine Autorität unterstreicht. Antigone steht als letzte Überlebende ihrer unmittelbaren Familie (neben ihrer Schwester Ismene) diesem Machtapparat gegenüber.
Antigones Charakter zeigt sich als außergewöhnlich entschlossen und pflichtbewusst. Sie ist besessen von der Idee, ihrem Bruder die letzte Ruhe zu verschaffen. Diese Besessenheit treibt sie so weit, dass sie ihren eigenen Tod in Kauf nimmt (V.69ff, 159ff, 203-215). Besonders bewegend ist ihr Vergleich: Sie sieht Polyneikos wie auf einer nie endenden Jagd, die nur durch eine Bestattung beendet werden kann (V.73-84).
Ihre Hartnäckigkeit zeigt sich in mehreren Bestattungsversuchen. Beim ersten Mal verwendet sie sogar Polyneikos' eigene Schaufel. Als diese entfernt wird, benutzt sie beim zweiten Versuch ihre bloßen Hände – ein starkes Symbol für ihre Hingabe und ihren Willen, sich für ihre Überzeugung buchstäblich "die Hände schmutzig zu machen" (V.38-48).
Kreon erscheint zunächst als pragmatischer Herrscher, der einen öffentlichen Skandal vermeiden will. Er behandelt die Wächter grob, zeigt sich aber gegenüber seiner Nichte Antigone erstaunlich nachsichtig. Er bietet ihr sogar an, den Vorfall zu vertuschen, um ihr Leben zu retten – ein Angebot, das sie konsequent ablehnt.
Die unterschiedlichen Redeanteile und -stile verdeutlichen das Machtverhältnis: Kreon spricht ausführlich und argumentativ, während Antigone meist kurz und bestimmt antwortet, was ihre unerschütterliche Haltung unterstreicht.