Die deutsche Geschichte wurde maßgeblich durch zwei bedeutende Persönlichkeiten geprägt: Otto von Bismarck und Wilhelm II, deren unterschiedliche Herangehensweisen an die Außenpolitik das Deutsche Kaiserreich fundamental formten.
Otto von Bismarck, der "Eiserne Kanzler", führte eine ausgewogene und defensive Außenpolitik. Seine diplomatische Meisterleistung war das komplexe Bündnissystem, das Deutschland durch geschickte Verträge mit Österreich-Ungarn (Zweibund 1879) und Russland (Rückversicherungsvertrag 1887) absicherte. Bismarcks Hauptziel war die Isolation Frankreichs und die Erhaltung des Friedens in Europa. Seine Außenpolitik basierte auf dem Konzept der "Saturiertheit" Deutschlands - das Reich sollte keine weiteren territorialen Ansprüche stellen.
Im Gegensatz dazu verfolgte Wilhelm II nach Bismarcks Entlassung 1890 einen aggressiveren außenpolitischen Kurs. Die Außenpolitik Wilhelm II war von einer "Weltpolitik" geprägt, die Deutschland als Kolonialmacht etablieren sollte. Er ließ den Rückversicherungsvertrag mit Russland auslaufen, was zur französisch-russischen Annäherung führte. Seine Flottenpolitik und der "Neue Kurs" verschlechterten die Beziehungen zu Großbritannien erheblich. Die Ziele der Außenpolitik Wilhelm II - Deutschland als Weltmacht zu positionieren - führten letztlich zur diplomatischen Isolation des Reiches. Diese fundamentalen Unterschiede in der Außenpolitik Bismarck und Wilhelm II zeigen sich besonders im Umgang mit den europäischen Mächten: Während Bismarck auf Ausgleich und Stabilität setzte, strebte Wilhelm II nach Prestige und Macht, was das Deutsche Kaiserreich in eine prekäre internationale Position brachte.