Bismarcks Machtpolitik und die Lückentheorie
Otto von Bismarck regierte als Ministerpräsident Preußens ohne vom Parlament genehmigten Haushalt - ein beispielloser Vorgang, der die Liberalen in ganz Deutschland empörte. Viele Liberale hatten auf Preußen als Partner im deutschen Einigungsprozess gehofft, waren nun aber von Bismarcks autoritärem Vorgehen verschreckt.
Zur Rechtfertigung seines Handelns entwickelte Bismarck die sogenannte Lückentheorie. Diese Theorie besagte, dass bei einer Pattsituation zwischen König und Kammern der Monarch selbst die in der Verfassung verbliebene Lücke füllen und notfalls ohne parlamentarisch genehmigten Haushalt regieren müsse. Diese umstrittene Rechtsauffassung behielt Bismarck bis 1866 bei.
Der Konflikt mit dem Parlament entzündete sich besonders an der Heeresreform, die eine Verlängerung der Dienstzeit auf drei Jahre, eine Erweiterung des adelsdominierten Offizierskorps und die Abschaffung der Landwehr vorsah. Die liberale Fortschrittspartei und andere liberale Gruppierungen, die eine Dreiviertelmehrheit im Abgeordnetenhaus besaßen, lehnten konsequent das Budget ab - konnten sich aber gegen Bismarcks Machtpolitik nicht durchsetzen.
Merke dir: Bismarcks rücksichtsloses Vorgehen mit Pressezensur, Bespitzelung missliebiger Personen und Maßregelung von Beamten zeigt, wie er seine Macht zur Durchsetzung seiner politischen Ziele einsetzte. Die nationale Frage wurde von ihm geschickt für seine Zwecke instrumentalisiert.