Funktionswandel des Nationalismus
Der Nationalismus in Deutschland machte einen dramatischen Wandel durch. Was ursprünglich als liberale, emanzipatorische Idee für nationale Einheit und bürgerliche Rechte begann, verwandelte sich in eine einheitsstiftende Ideologie und Stütze des Kaiserreichs. Diese Veränderung wurde durch den Kurswechsel der Liberalen Ende der 1860er Jahre eingeleitet.
Im neuen "Reichsnationalismus" wurden "Reich" und "Nation" weitgehend gleichgesetzt. Obwohl viele liberale Vorstellungen nicht erfüllt wurden, arrangierte sich die Mehrheit mit Bismarcks "Realpolitik" in der nationalen Frage. In den 1870er und 1880er Jahren wurde die Nationsidee immer stärker von Konservativen vereinnahmt.
Die Politik der Ausgrenzung und Bekämpfung bestimmter Bevölkerungsgruppen wurde durch neue Formen der Integration ergänzt. Diese Entwicklung setzte sich in der Wilhelminischen Zeit unter den Bedingungen des Hochimperialismus vor dem Ersten Weltkrieg fort und mündete schließlich in einem aggressiven und völkischen Nationalismus.
Denkanstoss: Wie konnte eine ursprünglich freiheitliche Idee zu einem Werkzeug der Ausgrenzung werden? Der Wandel des deutschen Nationalismus zeigt, wie politische Konzepte ihre Bedeutung verändern können, wenn sie von unterschiedlichen Gruppen instrumentalisiert werden.